Es braut sich etwas zusammen in diesen Tagen, da so viel vom Weihnachtsfrieden die Rede ist und von guten Vorsätzen. In der realen Welt hängen an hölzernen Galgen am Straßenrand Ampeln, eigenhändig gemalt von Leuten, die offenbar keine Scheu haben, so zur Beseitigung von Mitgliedern der Bundesregierung aufzurufen. An Treckern lassen sich schwarze Fahnen der rechtsnationalen Landvolkbewegung der Zwanziger und Dreißiger des vergangenen Jahrhunderts bewundern, die Vereinigung "Land Schafft Verbindung Ba-Wü e.V." (LSV) hatte den Einfall, es sollten doch Ortsschilder ab- und verkehrt herum wieder anmontiert werden, weil Deutschland ja Kopf stehe. Dass der zuständige Bundesminister Cem Özdemir (Grüne) unter wachsendem Druck steht, weil die Bundesregierung Steuererleichterungen für Bäuer:innen streichen will, um Haushaltslöcher zu stopfen, gehört zum Alltagsgeschäft. Mehr beunruhigen müssen die Aufstandsträume, die im Internet wuchern wie Fliegenpilze, die Aufrufe zum Generalstreik am 8. Januar, zu "Neuwahlen sofort". Joachim Rukwied, der frühere CDU-Kommunalpolitiker im Kreistag von Heilbronn, heute Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), goss am 18. Dezember bei der Großdemo vor dem Brandenburger Tor noch Öl ins Feuer. Mit Blick auf die geplante Streichung des subventionierten Bauern-Diesels sagt er: "Sollten die Maßnahmen nicht ersatzlos gestrichen werden, dann kommen wir wieder in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat." Immerhin distanziert sich der DBV mittlerweile "in aller Deutlichkeit von extremen Randgruppen (…), auf Schärfste von Schwachköpfen mit Umsturzphantasien, Radikalen sowie anderen extremen Randgruppen und Spinnern".
Christian Coenen, der Philippsburger Bauer und baden-württembergische "Land Schafft Verbindung"-Vorstand, tut sich noch schwerer. In seiner Botschaft zum Jahreswechsel beklagt er den "Scherbenhaufen" in der Agrarpolitik, verlangt tiefgreifende Veränderungen beim Bürokratieabbau bis zur klaren Herkunftskennzeichnung. Und er hofft, dass "jeder von uns so kreativ ist, um sich einzubringen, dass jeder weiß, was das Richtige für ihn ist". Der Appell, friedlich zu bleiben und sich an Recht und Gesetz zu halten, hat – zumindest auch – strategische Gründe, denn: "Dann kann uns keiner gegen den Karren fahren."
Die AfD ist ganz vorne mit dabei
Aufrufe zum Generalstreik aus der rechten und der "Querdenker"-Ecke wurden schon öfter laut, während der Corona-Pandemie etwa, verliefen bisher aber im Sande. Rein juristisch gesehen sei "ein Streik zur Durchsetzung politischer Ziele nach herrschender Meinung unzulässig", schreiben die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags. Arbeitsrechtler:innen warnen auf einschlägigen Portalen vor einem Fernbleiben vom Arbeitsplatz. Nur die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) hat für die kommenden Tage regulär Streiks angekündigt, alle anderen Arbeitsniederlegungen wären also "wild". Vereinfacht zusammengefasst sind Generalstreiks in Deutschland schlicht und einfach verboten.
Selbst AfD-Obere vermeiden den Begriff, sind aber ganz mit vorne an der Spitze der Agitation. Die Bundestagsfraktionschefin und frühere Landesvorsitzende im Südwesten Alice Weidel postet einen Appell "zum Großstreik". Von ganz rechts geschielt wird auf die Europawahl im Juni, nicht zuletzt weil die Bindewirkung der beiden Unionsparteien deutlich nachlässt. Der Forschungsgruppe Wahlen zufolge haben vor zehn Jahren 74 Prozent aller Bäuer:innen ihr Kreuz bei den Schwarzen gemacht, 2017 waren es 61, 2021 nur noch 45 Prozent.
Erschüttert vom radikalen Protest
Immerhin gibt es auch Warnungen, der AfD etc. auf dem Leim zu gehen. "Die diversen Posts mit einem Aufruf zum Generalstreik mit Titeln wie 'Die Ampel geht aus', 'Ampel abschalten' o.ä. auf Facebook, Telegram, X usw. kommen allesamt aus der rechtsuntenbraunen Ecke", heißt es auf X. Saskia Esken, die SPD-Bundesvorsitzende, bringt zum Jahresbeginn abermals das Thema Parteiverbot ins Gespräch, denn die AfD nutze "jedes Thema, um Menschen aufzustacheln, und das ist für mich ganz klar demokratiefeindlich". Es sei Sache der Verfassungsschutzämter, die Gefährdung immer wieder neu zu beleuchten. Aber kämen die zu dem Schluss, "dass eine Partei als Ganzes gesichert rechtsextrem zu gelten hat, dann muss auch das Schwert des Verbotes gezogen werden".
2 Kommentare verfügbar
Jörg
am 07.01.2024Ich frage mich gerade was der Unterschied sein soll zwischen den Blockaden der Bauern und den Blockaden der letzten Generation. Bin schon gespannt auf die Ausreden!