Ein Eisbär hat's mit seinem Wärmespeichersystem echt drauf: Sein Fell absorbiert nicht nur einen Großteil des Sonnenlichts, das dann in Wärme umgewandelt wird, seine hohlen Fellhaare dienen auch als perfekte Wärmeisolation. Deshalb wurde das 2008 gebaute Eisbärhaus in Kirchheim unter Teck nach diesem großen Vorbild benannt. Nach zwölf Jahren hat das als Wohn- und Geschäftshaus genutzte Gebäude nun einen Anbau erhalten. Der unterscheidet sich nur wenig vom Ursprungsbau, was zeigt, wie sehr sich dieser bewährt hat. Neu ist die Verwendung von Reyclingbeton für die Decken. "Den gab es damals noch nicht", sagt der Architekt Matthias Bankwitz. Aber halt, wir reden doch über Holzbau, was soll da Beton? "Nachhaltigkeit ist nicht nur Holz", sagt Bankwitz, "man kann nicht alles in Holz bauen." So ist das komplette Eisbärhaus ein Hybridbau. Tabu sind unter anderem Verbundwerkstoffe, alles ist sortenrein zerlegbar. Und es wird so viel Holz wie möglich verwendet. Auch das geschieht mit Bedacht: Die Wandpaneelen im Anbau sind ganz unterschiedlich breit, so kann ein Baum sehr viel besser genutzt werden. Es braucht natürlich Handwerker, die damit umgehen können.
Dafür benötigt Deutschland Entwicklungshelfer. "Die letzten 100 Jahre wurde in Deutschland massiv gebaut, da geht viel Wissen verloren", sagt Bankwitz. Er selbst hat sehr viel in Vorarlberg gelernt und pflegt dorthin intensive Kontakte. Ein weiteres Problem ist die Gesetzgebung, etwa beim Brandschutz, die nicht auf Holz ausgerichtet ist. Doch das verändere sich, sagt Bankwitz, auch im Studium werde das nachhaltige Bauen mit Holz wieder Thema. Die Tücke stecke im Detail: "Man muss bauen können." Holz habe statische Grenzen, aber diese habe jedes Material. "Bei Holz sieht man, wenn es bricht, anders als bei Beton und Stahl." Es gibt viel zu beachten: Wie resistent beispielsweise die Oberfläche von Holz auf Dauer ist, hängt auch vom Zeitpunkt der Fällung ab. Bei Vollmond oder im Winter? Diese Frage, die auch beim Eisbärhaus berücksichtigt wurde, hat nicht mit Esoterik zu tun, sondern mit der Zellstruktur.
Wenn wir schon bei den Problemen sind: Das nächste ist die fehlende Kostenwahrheit. "Die Kosten spiegeln nicht das wider, was in der Umwelt passiert", kritisiert Bankwitz. Er verweist als Beispiel auf die lächerlich niedrige CO2-Bepreisung. Die Wirtschaftlichkeit sei auch schwer zu berechnen. "Wie entwickeln sich die Energiepreise? Ich kann nicht einfach wie früher von plus sechs Prozent im Jahr ausgehen."
Mit Abstand an der Spitze
Holz bindet CO2. Der Anbau des Eisbärhauses startet deshalb mit einer Kohlendioxidbilanz von minus 276 Tonnen. In die Bewertung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) gehen nicht nur dieses, sondern insgesamt 37 Kriterien ein. 8.000 Gebäude hat die DGNB bisher in 35 Ländern gewertet, noch nie hat eines eine so hohe Gesamtwertung wie der Anbau des Eisbärhauses erreicht. Ein Gesamterfüllungsgrad von 80 Prozent hätte für das Platin-Zertifikat gereicht, erreicht wurden 94,2 Prozent. Das ist der Lohn der Mühe, die in vielen kleinen Details steckt. So sind etwa die Kabel frei von PVC. Und schließen sich im Sommer die Jalousien, wird das Licht automatisch in sechs Stufen heruntergedimmt.
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Leo Kottke
am 24.03.2021