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Ausstellung im Zeppelin-Museum, Friedrichshafen

Bergbau im Weltall

Ausstellung im Zeppelin-Museum, Friedrichshafen: Bergbau im Weltall
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 Fotos: Joachim E. Röttgers 

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Datum:

Der Hunger der Industrie nach Rohstoffen scheint unermesslich. Schon droht in der Tiefsee das nächste ökologische Desaster. Das Zeppelin-Museum zeigt künstlerische Perspektiven auf dieses Thema. Und was die Alternative wäre: Kreislaufwirtschaft.

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"Into the Deep" lautet der Titel der Ausstellung. Gemeint ist das Deep Sea Mining, der Tiefseebergbau, der schon bald beginnen könnte. Aber auch das (Deep) Space Mining, die Rohstoffgewinnung aus dem Weltall, die bisher noch reine Theorie ist. Doch die Ausstellung beginnt an einem ganz anderen Ende beim eigenen Haus: mit der Geschichte der Aluminiumherstellung und des Luftschiffbaus.

Um zu verstehen, wie das alles zusammenhängt, ist es notwendig, etwas über die Geschichte des Museums zu wissen, das aus zwei Teilen besteht: der Zeppelin-Sammlung und einer in der Nachkriegszeit erworbenen Kunstsammlung mit 4.000 Werken vom Mittelalter bis zur neueren Kunst. 1996 zog das Museum von einem Rathaus-Seitenflügel in den vormaligen Hafenbahnhof, den die Bahn aufgegeben hatte.

Seit 2014 leitet Claudia Emmert das Museum. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, die beiden Bereiche Kunst und Technik miteinander zu verbinden, indem sie Künstler:innen einlädt, die in ihren Arbeiten einen Blick auf technisch und gesellschaftlich relevante Fragen werfen. Wobei das Technische eher aus den Voraussetzungen des Hauses resultiert, das gesellschaftlich Relevante dagegen auf Emmerts Initiative zurückgeht.

Museumsleiterin Claudia Emmert.

Nachhaltige Museen

Nachhaltigkeit beschäftigt Claudia Emmert auf vielen Ebenen. Sie ist Mitglied der Arbeitsgruppe "Klimaschutz und Nachhaltigkeit" des Deutschen Museumsbunds und Vorstandsmitglied der deutschen Gruppe des Internationalen Museumsrats ICOM, der auf seiner Tagung in Prag 2022 den Begriff der Nachhaltigkeit in seine Museumsdefinition aufgenommen hat. Ihre Marketingfrau Frauke Stengel ist seit einer Weiterbildung des Aktionsnetzwerks Nachhaltigkeit Nachhaltigkeitsbeauftragte des Museums. Die Ausstellung ist klimaneutral: Von der Stellwand bis zur Pressemappe ist alles recycelt. Der größte Posten in der Klimabilanz ist freilich die Anreise der Besucher. Wer mit ÖPNV, Fahrrad oder zu Fuß kommt, erhält zehn Prozent Rabatt auf den Eintrittspreis.  (dh)

Am Anfang standen eher technikaffine Ausstellungen: 2018 etwa "Schöne neue Welten. Virtuelle Realitäten in der zeitgenössischen Kunst" und "Innovationen! Zukunft als Ziel". Es folgten, schon kritischer, "Game of Drones" und "Beyond States. Die Grenzen von Staatlichkeit". "Fetisch Zukunft" stellte zuletzt offen in Frage, ob Technik wirklich "die Welt retten und diese menschlichen Sehnsüchte" – nämlich "nach Geschwindigkeit, Freiheit, Frieden, Unsterblichkeit und Nachhaltigkeit" – erfüllen kann.

Nun also Deep Sea Mining. Vor fünf Jahren schien der Run auf die Tiefsee bereits unmittelbar bevorzustehen. Auch in der Kunst war das Thema schon angekommen. Auf der Tagung "Ökonomien anders denken" im Stuttgarter Kunstgebäude prangerte der argentinische Anwalt Enrique Matías Viale den Extraktivismus an: den Raubbau an Natur und Ressourcen. Nabil Ahmed aus Bangladesch sprach über den Pazifik, wo sich an einem Ring geologischer Verwerfungen in großer Tiefe viele der derzeit heiß begehrten Rohstoffe finden: Kupfer, Lithium, Kobalt, seltene Erden und anderes mehr. Aber auch die größte Biodiversität der Welt.

Völker wehren sich gegen die Ausbeutung

Nicht im Bodensee: in der Tiefsee, weit weg. Wie lässt sich ein solches Thema in den Ausstellungsraum bringen, ein Bewusstsein für das Problem wecken? Das geht nur über Filme und Fotos. In ihrem Video "Nautilus New Era" beschäftigt sich die estnische Künstlerin Kristina Öllek mit dem kanadischen Unternehmen Nautilus Minerals – der Name geht zurück auf das U-Boot in Jules Vernes Roman "Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer". Das Unternehmen wollte bereits 2019 mit dem Tiefseebergbau beginnen, erhielt aber keine Genehmigung und ging insolvent. In seinen Werbefilmen schaffte das Unternehmen Arbeitsplätze und sicherte unser aller Zukunft. In Realität lauert am anderen Ende der Welt in zehn Kilometer Tiefe das nächste ökologische Desaster.

Seitdem ist einiges passiert. Pazifik-Staaten wehren sich. Eine Konferenz im Kunstraum der Technischen Universität Singapur, gefördert von der TBA21-Akademie, fragte: "Wem gehört der Meeresboden?" TBA steht für Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, eine Stiftung von Francesca Habsburg-Lothringen, geborene Thyssen-Bornemisza. Sie engagiert sich für den Pazifik und will mit künstlerischen Mitteln auf eine ökologische Entwicklung hinwirken.

Die Stiftung vergibt auch Stipendien und finanziert Künstlerreisen in die Pazifikregion. Der Fotograf Armin Linke hat an mehreren dieser Expeditionen teilgenommen. In der Ausstellung in Friedrichshafen geben einige Fotos aus seinem umfangreichen Archiv einen ersten Einblick, Näheres erzählt ein Video. Linke nähert sich dem Thema von allen Seiten. Er zeigt Aktivist:innengruppen in Papua-Neuguinea ebenso wie die von den UN eingesetzte Internationale Meeresbodenbehörde auf Jamaika, die ein juristisches Regelwerk erstellen soll und vielleicht schon bald erste Lizenzen vergeben wird. So soll vermieden werden, dass am Meeresboden ein großes Hauen und Stechen beginnt – mit fatalen Konsequenzen für die Umwelt.

Ist es wieder einmal der Kapitalismus, der die Lebensgrundlagen zerstört? So einfach ist es nicht. Denn die Mineralien, die in der Tiefsee abgebaut werden sollen, stecken in Produkten, die wir alle nutzen: Smartphones, andere Bildschirmgeräte, Elektroautos. Um dies greifbar zu machen, gibt es in der Ausstellung eine Installation mit Einkaufskörben, in die man Dinge legen kann, die man ohnehin schon besitzt. Um dann zu erfahren, in welchem Maß jede:r auch selbst an den schmutzigen Rohstoffgeschäften beteiligt ist.

Erst war das Aluminium, dann der Zeppelin

Wie ließe sich das Problem lösen? Das Museum skizziert eine Antwort anhand seiner ureigensten Geschichte. Aluminium, seit Ende des 19. Jahrhunderts hergestellt, war die Voraussetzung für den Luftschiffbau. Aus Bauxit wird mit Natronlauge der hochgiftige Rotschlamm hergestellt, erklärt Jürgen Bleibler, der Leiter der Zeppelin-Abteilung. Aus dem Schlamm wird dann unter einen "wahnsinnigen Energieaufwand", so Bleibler, das Aluminium gewonnen. Das Angebot kam vor der Nachfrage: Als die Herstellung geklärt war, suchte die Industrie gezielt nach Anwendungen. Unter anderem im Luftschiffbau. Von der Milchkanne bis zum 1925 entwickelten Auto der Schwäbischen Hüttenwerke (SHW) in Wasseralfingen: Exponate sind im Museum in Fülle vorhanden.

Aluminium bietet sich an für Recycling. Das spart wahnsinnig viel Energie. Der Anteil der "Sekundäraluminiums" an der weltweiten Produktion beträgt aber bisher nur 30 Prozent. Und der Aluminiumbedarf steigt. Um das Problem wirklich in den Griff zu bekommen, müsste also nicht nur mehr recycelt werden, sondern auch der Verbrauch gedrosselt werden. Erst dann ließe sich wirklich von Nachhaltigkeit sprechen.

Ob es zum Space Mining, der Rohstoffgewinnung aus dem Weltall, jemals kommen wird, ist noch nicht sicher. In der oberen Etage des Museums hat Bethany Rigby in einer langen Vitrine Gesteins- und Bodenproben aufgereiht, die als Simulatoren für künftige Weltall-Rohstoffe herhalten müssen, flankiert von einem Video zum Thema. Das Pariser Bureau d'Études, spezialisiert auf das Kartografieren komplexer Zusammenhänge, hat ein großes Panorama entworfen, das vom Bergbau auf der Erde bis im Weltraum reicht.

Für E-Autos sinkt in Chile der Wasserspiegel

Eine letzte Arbeit beschäftigt sich weder mit der Tiefsee noch mit dem Weltall, sondern mit dem realen Rohstoffabbau heute. In einer Videoinstallation stellt der chilenische Künstler Ignacio Acosta den Kupfer- und Lithiumabbau in der Atacamawüste dem schwedischen Kiruna gegenüber, wo sich nicht nur das größte Eisenerzbergwerk der Welt befindet, sondern vor Kurzem auch die größten Vorkommen seltener Erden in Europa entdeckt wurden.

Die Gegenüberstellung macht Eindruck: Die Atacamawüste ist extrem heiß und trocken, in Nordschweden fällt Regen und Schnee. Acosta konzentriert sich auf Proteste der Indigenen: Sámi in Lappland, Likan Antai in Chile. Freilich ist die Situation nur begrenzt vergleichbar. In Schweden gibt es strenge Vorschriften. Eben das gilt den abbauenden Unternehmen als Problem: Die Genehmigung dauere zu lange, heißt es.

In Chile dagegen hat der Abbau der größten Lithium-Vorkommen weltweit längst begonnen. In der extrem trockenen Wüste wird den Einheimischen, die dort Landwirtschaft betreiben, buchstäblich das wenige Wasser abgegraben, damit hierzulande die Autoindustrie auf Elektromobilität umstellen kann. Am Turm des ehemaligen Hafenbahnhofs hat das Zeppelin-Museum ein Banner aufgehängt. Kolonialismus ist hier, steht da. Aber warum nur auf Englisch und Spanisch?

Man muss Zeit und Geduld mitbringen und sich die Videos in Gänze ansehen, um wirklich etwas über das Thema zu erfahren. Dass gerade das Zeppelin-Museum, das mit einer Mischung aus Technikbegeisterung und Nostalgie große Besuchermengen anzieht, ein solches Thema anschneidet, ist ziemlich einzigartig. Kunst spielt hier die Rolle eines Türöffners. Ist die Aufmerksamkeit geweckt, können die Besucher:innen ihre Erkenntnisse in Vorträgen vertiefen: unter anderem am 29. Juni zu den Umweltauswirkungen des Tiefseebergbaus. Ein Repaircafé soll Lust auf Recycling wecken, eine digitale Plattform das Projekt mit fünf anderen Museen, drei Universitäten und weiteren Einrichtungen verbinden.


Die Ausstellung "Into the Deep. Minen der Zukunft" läuft bis zum 5. November und ist täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet.


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