KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Mietwohnungen

Knöllchen für überteuerte Mieten

Mietwohnungen: Knöllchen für überteuerte Mieten
|

Datum:

Wer in Freiburg Mieten verlangt, die als unangemessen oder gar als Wucher gelten, bekommt einen Brief von der Stadtverwaltung mit Bitte um Mäßigung. Wenn das nicht hilft, gibt es ein Knöllchen. Das soll nun auch in Stuttgart und Esslingen so kommen.

Vier Zimmer auf 47 Quadratmetern, immerhin kernsaniert und "in zentraler Lage von Stgt-Bad Cannstatt". So wird eine Stuttgarter Mietwohnung im Netz angepriesen. Kostenpunkt: sage und schreibe 2.200 Euro Kaltmiete, ist da auf dem Online-Portal zu lesen. Wem die Bude zu groß ist, der kann auch auf eine kleinere Bleibe im selben Haus ausweichen: 20,72 Quadratmeter für günstige 950 Euro kalt. "Die Wohnung verfügt über einen großzügigen Wohn- und Schlafbereich mit neuer EBK. Weiter gehört zur Wohnung ein Tageslichtbad mit Dusche und Waschmaschinenanschluss." Wow, das klingt super.

Wer in Stuttgart wohnen möchte, muss in vielen Fällen tief in die Tasche greifen. Viel zu tief, ja, unverschämt tief bisweilen, findet der Mieterverein Stuttgart seit Jahren und hat nun Mietpreisforderungen auf Online-Portalen verglichen. Ergebnis: Da werden Wohnungen zu einem Quadratmeterpreis von bis zu 26 Euro angeboten. Im Durchschnitt errechnete der Mieterverein Nettokaltmiete von 18 Euro pro Quadratmeter. Haijaijai. Das ist unverschämt teuer, verzeichnet der Stuttgarter Mietspiegel doch eine ortsübliche und auch schon satte Vergleichsmiete von 11,04 Euro pro Quadratmeter in der Landeshauptstadt.

"Als unangemessen hoch zählen Mieten, die die üblichen Preise für vergleichbare Wohnungen um mehr als 20 Prozent übersteigen", schreibt die Stadt Stuttgart. "Nach §291 Strafgesetzbuch liegt Mietwucher vor, wenn die vereinbarte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 50 Prozent übersteigt." Wucher, so der Mieterverein, beginne bei 16,56 Euro.

Und nicht nur in Stuttgart ist Wohnen beinahe Luxus. Auch in Esslingen ist es sauteuer. Da werden, heißt es in einer Pressemitteilung der Mietervereine Stuttgart und Esslingen, für etwa ein Viertel der angebotenen Wohnungen zu hohe Mieten verlangt.

Erst Brief, dann Geldstrafe: In Freiburg wirkt's

Das Problem: Nicht nur werden Mieter:innen weit über Gebühr belastet, überzogene Mieten gehen auch in den Mietspiegel ein und treiben die Mieten für die Folgejahre in einer fiesen Spirale immer weiter nach oben.

Die Firma Mietenmonitor, die Wohnungsinserate auf Verstöße gegen die Mietpreisbremse und Mietwucher scannt, hat vor einigen Monaten die Mieten in Düsseldorf untersucht. Und kam zu dem Ergebnis: Bei 22.000 untersuchten Wohnungsinseraten waren 5.700 Wohnungen unzulässig teuer, weil die Vermieter:innen sich nicht an die Mietpreisbremse halten. Zwischen 30 und 80 Euro zu viel kassierten sie im Monat, das summiert sich aufs Jahr gerechnet teils auf bis zu 1.000 Euro. Die bisherigen Auswertungen von Mietenmonitor in 60 Städten zeigen, so schreibt es die Firma auf ihrer Homepage, "dass ein großer Teil der Neumieter ein Anrecht darauf hätte, die Mietzahlungen basierend auf der Mietpreisbremse zu reduzieren".

In Freiburg setzt sich die Stadt per Gemeinderatsbeschluss seit einem Jahr systematisch gegen überhöhte Mieten oder gar Mietwucher ein. Mietenmonitor vergleicht online-Wohnungsangebote und übermittelt die Ergebnisse an die Stadt. Die wiederum verschickt an unverschämte Vermieter:innen erstmal Briefe und bittet um Mietpreissenkung. Wenn nichts passiert, gibt's ein Knöllchen. In mehr als 130 Fällen soll das bisher schon gewirkt haben, sagen die Freiburger. Außerdem sei bei Makler:innen und Vermietenden angekommen, dass da jemand ein Auge drauf hat.

Anti-Wucher-Initiative nun auch in Esslingen

Stuttgart und Esslingen ziehen jetzt nach. In Esslingen soll die Anti-Wucher-Initiative im Juli starten. In Stuttgart, sagt die Stadt, habe man schon begonnen und einen Mitarbeiter dafür abgestellt, der allerdings auch noch anderes zu tun hat. Die Zusammenarbeit mit Mietenmonitor hatte im vergangenen Jahr die SPD schon aufs Tapet gebracht. Allerdings noch ohne Erfolg. Nachdem der Mieterverein die Stadt Stuttgart nun erfolgreich beharkt hat, befindet die sich mit der Firma im Gespräch.

Und darum geht's: Wer einen Mietpreis verlangt, der 20 Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete liegt, kann mit bis zu 50.000 Euro belangt werden. Bei Wuchermieten, also mehr als 50 Prozent zu viel, kann Vermieter:innen auch eine Haftstrafe drohen.

Problem: Im Netz handelt es sich ja nur um Angebote. Um Mietwucher oder überhöhte Mietpreise juristisch verfolgen zu können, braucht es einen Mietvertrag. Und: Die Stadt muss den Namen des Vermietenden kennen. Was, by the way, einmal mehr die Frage aufwirft, warum es eigentlich erlaubt ist, eine derartig massive Geheimniskrämerei um Besitzverhältnisse zu machen, wie es derzeit Usus ist. Das neue Instrument zielt daher eher auf Abschreckung, kann aber, wenn gut gemacht, durchaus etwas bewirken. Bleibt zu hoffen, dass die gute Idee in Stuttgart nicht endet wie das Zweckentfremdungsverbot: als zahnloser Tiger.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


0 Kommentare verfügbar

Schreiben Sie den ersten Kommentar!

Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!