Beim Geld hört der Spaß auf, da sind sich Obdachlose und Hedgefondsmanager einig. Wer sich aber in die windigen Sphären der Finanzmarktüberwachung vorwagt und dabei die komödiantische Komponente vernachlässigt, führt bald kein glückliches Leben mehr. Vielleicht ist es die dunkle Vorahnung, auf Entsetzliches zu stoßen, die viele Bürgerinnen und Bürger davon abhält, sich mit dem Komplex der organisierten Finanzkriminalität und ihrer Komplizen im Staat auseinanderzusetzen. Zumindest scheint die öffentliche Kritik recht verhalten, obwohl sich selbst bei beiläufiger Betrachtung Zustände offenbaren, wie sie nicht einmal in den verlottertsten Saftläden toleriert würden.
Eine jener grotesken Pointen, die auf einer wahren Gegebenheit fußt, geht so: Die amtierende Bundeskanzlerin und ein nach Plagiaten in Ungnade gefallener Ex-Verteidigungsminister lobbyieren 2019 im autoritären China für ein DAX-Unternehmen, das dank kometenhafter Aktienkursanstiege lukrative Renditen zu versprechen schien. Neun Monate später muss der Hoffnungsträger Insolvenz anmelden, da 1,9 Milliarden Euro, die in der Bilanz als Guthaben ausgewiesen wurden, "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht existieren", wie es in den eigenen Worten der Wirecard heißt. Der Erfolg des Unternehmens entpuppt sich als Luftnummer und blamiert die Kontrollmechanismen der Bundesrepublik bis auf die Knochen.
Für Felix Hufeld, den damaligen Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), ist der Fall "eine Schande", "ein komplettes Desaster" und er nehme "öffentliche Kritik voll und ganz an". Wie aber sieht die Schlussfolgerung aus, die er im Juni 2020 zieht? Nachdem die ihm unterstehende Behörde ein ums andere Mal durch Skandale auffiel, zu deren Aufarbeitung sie nichts beigetragen hat, sagt der Mann an der Spitze: "Wir brauchen keine regulatorischen Änderungen. Wir müssen nur das bestehende Regelwerk anders interpretieren."
Die Anstalt mit etwa 2.700 Beschäftigten hat durchaus Erfahrung mit kreativen Interpretationen – und ihr konsequentes Versagen lässt sich quantifizieren. 71 Fälle von Finanzkriminalität, die der BaFin entgangen sind und bei denen jeweils ein Schaden von mindestens einer Millionen Euro – und teils auch mehreren Milliarden – entstanden ist, hat der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold auf seiner Website zusammengetragen; die Auflistung, die sich auf die Jahre zwischen 2007 und 2020 bezieht, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Kein einziges Mal hat die BaFin dabei die Aufklärung angestoßen. Stattdessen fällt ihr Personal dadurch auf, mit Insiderwissen auf Aktienmärkten zu zocken, Enthüllungsjournalisten zu verklagen oder illegale Praktiken von Banken vor Gericht zu verteidigen.
Der Doktorvater vom Bolzplatz
Aufschlussreich dafür, wie leicht die BaFin Hochstapelei aufsitzt, sind mindestens 89 Fälle von Untreue im Amt und Bestechlichkeit, die 2011 vor dem Bonner Landgericht verhandelt wurden. Ein leitender Regierungsdirektor der Anstalt wurde damals zu sechs Jahren Haft verurteilt, weil er mit Scheinrechnungen über sechs Millionen Euro in die eigene Tasche abgezweigt hatte.
8 Kommentare verfügbar
Joachim Petrick
am 27.05.2021BaFin als nicht reformierbares Elend vorzuführen, hieße aus Tätern, Opfern zu machen. Dabei bildet BaFin "schulbuchmäßig" Schlangengrube undurchsichtiger Absichten nach Belieben in Küchenkabinetten, Geheimdiplomatie Hinterzimmer Bad Habits Wunschkonzert Strukturen zu fremdem Zweck ab, für…