Ein Hirschkopf vor einem Panorama grüner Hügel, Berge und Täler: Wer den Internetauftritt von Schwarzwald Energy aufruft, blickt zunächst auf eine Idylle. "Ihr Ökoanbieter aus dem Schwarzwald", heißt es gleich, kurz darunter lautet eine Überschrift aber: "Dein Ökoanbieter aus dem Schwarzwald", obwohl im dazugehörigen Text wieder gesiezt wird: "Gemeinsam mit Ihnen – aus dem Schwarzwald für den Schwarzwald und natürlich für ganz Deutschland." Ein ganzes Segment des Internetauftritts beschäftigt sich mit "New Energy". Sogar eine Erklärung, wie aus der Kraft des Wassers Strom gewonnen wird, findet sich, zusammen mit dem Bild einer entsprechenden Anlage.
Wer sich weiter durchklickt, stößt auf Passagen, die für Glaubwürdigkeit und Engagement stehen sollen: "Unser schwarzwald strom [Gemeint ist: Schwarzwald-Strom; R.H.] wird nach modernsten Umweltstandards aus 100% Wasserkraft in besonders nachhaltigen und zertifizierten Wasserkraftanlagen produziert." Und: "Ökostrom ist nicht immer gleich Ökostrom. Wer 'echten' Naturstrom beziehen möchte, sollte auf die Gütesiegel der jeweiligen Ökostromanbieter achten. Diese geben sowohl über Herkunft als auch über die Zusammensetzung der Energie Auskunft. Unser schwarzwald strom wird in besonders nachhaltigen, TÜV Süd EE zertifizierten Wasserkraftanalgen mit modernsten Umweltstandards produziert." Bei den "5 Gründen, zu uns zu wechseln" wird sogar verkündet: "Sie beteiligen sich aktiv an der Energiewende."
Viel Schwarzwald-Fassade, wenig ökologischer Nutzen
Doch all das ist, wie so oft im Stromsektor, vor allem schöner Schein. Schwarzwald Energy ist im November 2013 gegründet worden. Es handelt sich allerdings nicht um einen Neuling, der sich der Energiewende verschrieben hat, sondern um eine Tochterfirma der Energie Calw GmbH, die wiederum der Stadt Calw und dem staatlichen Energiekonzern EnBW gehört. Das Ziel der Firma ist es offensichtlich, die bundesweite Ökostrom-Welle zu reiten. Der Strompreis ist bei Schwarzwald Energy relativ billig. So hat es die Firma geschafft, rund 17 000 Strom- und GaskundInnen zu ergattern, wie sie im November 2018 in ihrem Wirtschaftsplan für 2019 festhielt. Als Ziel wurde ausgegeben, Ende 2019 zusätzliche 2500 Anschlüsse zu beliefern.
Diese Zahlen zeigen, dass Schwarzwald Energy ein sehr kleiner Stromanbieter ist. Wie kann sie da mit einem relativ niedrigen Preis in die bundesweite Konkurrenz eintreten, wo es Tausende Stromtarife gibt, und noch dazu etwas für die Energiewende tun? Die Antwort: In Deutschland ist Energiewende-Nepp an der Tagesordnung, und das seit Jahren.
"Deutsche Stromanbieter beziehen Ökostrom überwiegend aus dem europäischen Ausland", hält Christina Wallraf fest, Referentin für Energiemärkte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Sie ist zu dem Schluss gekommen, dass die allermeisten Ökostrom-Angebote so gut wie nichts bringen. Meistens wird nämlich aus dem Ausland Ökostrom bezogen, der dort sowieso produziert worden wäre. Wasserkraftwerke sind eine alte Technologie und seit vielen Jahren eine Quelle des Strom-Mixes in vielen Ländern. Der dort erzeugte Strom wird vor Ort aber nicht unbedingt als Ökostrom vermarktet. Diese Vermarktung kann über sogenannte Herkunftsnachweise nach Deutschland erfolgen. Sie erlauben einem Stromanbieter, auf dem deutschen Markt damit zu werben, sie lasse irgendwo in Europa Ökostrom ins Netz einspeisen.
In Deutschland ankommen muss dieser Strom nicht. "Der Preis für so einen Herkunftsnachweis ist sehr, sehr gering, vielleicht 0,1 Cent pro Kilowattstunde", erklärt Wallraf. "Durch diesen geringen Mehrpreis kann ein Stromanbieter seinen Strom als Ökostrom verkaufen." Auf diese Weise wird so gut wie kein Nutzen für die Energiewende erzielt, denn es ändert sich nichts an der Gesamtzusammensetzung der Stromerzeugung. Erst wenn europaweit mehr Ökostrom nachgefragt würde als produziert wird, ergäbe sich ein Effekt.
9 Kommentare verfügbar
Carola T.
am 26.12.2021