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Eine saubere Firma

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Die Schwäbische Bauwerk GmbH möchte kein "wilder Spekulant" sein. So hat sie der Stuttgarter Mieterverein genannt und dringend davon abgeraten, ihr Immobilien zu verkaufen. Das Unternehmen will die "massive Schmähkritik" jetzt gerichtlich verbieten lassen. Mit abenteuerlichen Begründungen.

Es waren Schlagzeilen, die für Aufsehen sorgten: "Stadt leistet Beihilfe zur Mietervertreibung", zitierten etwa die "Stuttgarter Nachrichten" (StN) Anfang Mai den örtlichen Mieterverein in fetten Lettern. Dessen Vorsitzender, Rolf Gaßmann, hatte seinem Ärger Luft gemacht: Gerade war der Wohnungsmarktbericht der Stuttgarter Stadtverwaltung erschienen, also quasi ein amtliches Dokument, das mit einem großvolumigen Inserat aufwartete. Auf einer ganzen Seite umwarb die Schwäbische Bauwerk GmbH potenzielle Verkäufer von Mehrfamilienhäusern ab drei Wohneinheiten.

Das Unternehmen, sagt Gaßmann, der mit seinem Verein 30 000 Mieter vertritt, sei ihnen einschlägig bekannt: "Weil es seine Mieter besonders rücksichtslos auspresst." Vor diesem Hintergrund wertete er die Anzeige als "unverständliche Hilfe für einen der größten Wohnungsspekulanten" der Stadt.

Marc-René Ruisinger, Geschäftsführer der Schwäbischen Bauwerk und für die Kontext-Redaktion nicht erreichbar, bezeichnete diese Anschuldigungen in den StN als "Rufmord" und kündigte an, den Fall durch einen Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Dem sind Taten gefolgt: Gut drei Wochen später trudelt eine Unterlassungserklärung beim Mieterverein ein, die verlangt, dass Aussagen unterbleiben wie: "Die wilden Geschäftsmethoden der Schwäbische Bauwerk GmbH stehen seit längerem in der öffentlichen Kritik, weil mit drastischen Mieterhöhungen Mieter rücksichtlos hinausmodernisiert werden." Außerdem soll auch nicht behauptet werden: "Im seriösen Umfeld des offiziellen Stuttgarter Wohnungsmarktberichts soll manch verkaufswilliger Hausbesitzer offensichtlich glauben, dass es sich bei der Schwäbischen Bauwerk GmbH um eine seriöse Firma handelt."

Der Mieterverein sollte also eine Verpflichtung unterzeichnen, solche Aussagen nicht mehr "zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder inhaltsgleiche Aussagen zu tätigen und/oder zu verbreiten und/oder zu veröffentlichen und/oder eine der vorstehenden Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen". Und für "jeden Fall der Zuwiderhandlung" hält der Rechtsbeistand des Unternehmens eine Vertragsstrafe von 5100 Euro für angebracht.

Der Mieterverein kuscht nicht. Im Gegenteil

Das wollten Rolf Gaßmann und der Mieterverein nicht unterzeichnen. Im Gegenteil. Sie legten nach: "Der Mieterverein bleibt dabei: Die Schwäbische BauWerk GmbH presst Mieter aus und will sie aus ihren Wohnungen vertreiben!", heißt es in einer Pressemitteilung vom 21. Mai. Angeführt wird dort auch ein Fallbeispiel, dass die Geschäftspraktiken der Bauwerk verdeutlichen soll: Einem Rentner-Ehepaar in der Reinsburgstraße 65, Stuttgart, wurde angekündigt, nach einer umfangreichen Modernisierung nicht mehr 431 Euro Monatsmiete zahlen zu müssen, sondern 1138 Euro – eine Steigerung um 165 Prozent (Kontext berichtete zum Thema). Gaßmann sieht seine Kritik als von der Meinungsfreiheit gedeckt und sagt: "Einen Spekulanten muss man Spekulant nennen können." Zumal es sich bei diesem Beispiel nicht um einen Einzelfall handle.

Tatsächlich scheint eine gewisse Kontinuität im Vorgehen der Schwäbische Bauwerk zu bestehen.

Da ist die Leuschnerstraße 35, die das Unternehmen 2017 erwarb. Den Bewohnern wurden Modernisierungen angekündigt, eine Wohnung sollte künftig 850 Euro kosten, nicht mehr 460 Euro. Die Mieter haben sich, wie ein Schriftsatz des Mietervereins ausführt, nach einer neuen Bleibe umsehen müssen, weil sie sich ihre alte nicht mehr leisten konnten: "Allerdings wurden, soweit ersichtlich, die angekündigten Maßnahmen, nachdem das Gebäude 'entmietet' war, bislang nicht durchgeführt." Es stehe immer noch leer, neuerdings hänge aber ein Transparent am Haus, das eine energetische Sanierung verspricht und eine Telefonnummer angibt: "Ein Anruf unter dieser Nummer ergibt, dass das Gebäude (…) nun einem Herrn N. in Dresden gehören würde."

Da ist das Wohnhaus in der Rötestraße 47, dessen Bewohnern im März 2018 eine drastische Mieterhöhung durch Modernisierungsmaßnahmen angekündigt wurde. Eine 73 Quadratmeter große Wohnung sollte danach 1054 Euro statt 502 Euro im Monat kosten. Wieder haben diese Steigerungen Menschen aus ihren Behausungen vertrieben, heißt es seitens des Mietervereins: "Nicht einmal ein Jahr nach dem Kauf des Hauses (...) hat diese (die Schwäbische Bauwerk, d. Red.) das Gebäude entmietet an eine Fa. Protecturn in Fellbach weiterverkauft".

Da ist die bereits erwähnte Reinsburgstraße 65, in der einkommensarme Rentner nicht mehr wohnen können, und da ist die Forststraße 168, die nach der Modernisierung 137 Prozent mehr Miete kosten soll. Über beide Fälle berichtete Kontext mehrfach. Als die Redaktion eine Stellungnahme von Geschäftsführer Marc-René Ruisinger zu diesen Fällen wollte, ließ der seine Mutter ausrichten: Ihr Sohn sei gerade viel unterwegs, habe überhaupt keine Zeit, und auch kein Handy.

Durch die Vielzahl der Fälle hält Rolf Gaßmann seine Aussagen für gerechtfertigt. Es sei "ein Schema ersichtlich, mit dem Mieter systematisch verdrängt werden". Danach werde das Gebäude wieder verscherbelt, denn "der unsanierte Weiterverkauf eines entmieteten Gebäudes ist deutlich lukrativer als eine aufwändige Sanierung, selbst wenn dies, wie vorliegend (...) mit exorbitanten Mietpreissteigerungen erfolgt."

Alles gesetzeskonform, branchenüblich und somit seriös

Dieses Vorgehen selbst bestreitet die Rechtsvertretung der Schwäbischen Bauwerk im Wesentlichen nicht. Stattdessen heißt es in einem Schriftsatz, der der Redaktion vorliegt, das Unternehmen handle gesetzeskonform und "völlig branchenüblich, so dass mitnichten von 'wilden Geschäftsmethoden' gesprochen werden kann oder diese 'unseriös' seien". Die Schwäbische Bauwerk sei daher eben nicht einer der "größten Wohnungsspekulanten in Stuttgart", sondern ein "kleiner Fisch". Bei den Aussagen des Mietervereins handle es sich daher "mit Nichten [sic] um zulässige Meinungsäußerungen", sondern um "unwahre Tatsachenbehauptungen und Schmähkritik". Gaßmann aber entgegnet, dass dem Mieterverein "trotz der großen Mitgliederzahl kein anderes Unternehmen bekannt ist, das in der dargestellten Form und in dem Umfang mit so einer rücksichtslosen Vorgehensweise systematisch Entmietung betreibt", mit "angekündigten Luxussanierungen, die regelmäßig gar nicht vorgenommen". Dass dies illegal sei, habe er nie behauptet, "unseriös" findet er es wegen der zutiefst asozialen Geschäftspraxis trotzdem. Und er bleibt dabei: Dass es sich bei der Schwäbischen Bauwerk um einen "der größten Spekulanten der Stadt" handle, sei keine Schmähkritik, sondern "eine akkurate Zustandsbeschreibung".

Doch womöglich ist am Ende gar nicht die inhaltliche Bewertung ausschlaggebend. Denn die Rechtsanwälte der Schwäbischen Bauwerk bemühen insbesondere das Wettbewerbsrecht: Durch seinen Boykott-Aufruf, nicht an die Bauwerk zu verkaufen, habe sich der Mieterverein am Markt eingemischt, die Konkurrenz begünstigt – und außerdem Eigenwerbung betrieben: Die Aussagen seien geeignet, "Aufmerksamkeit auf den (...) Mieterverein zu lenken und dessen Unternehmen durch den potentiellen Abschluss neuer Mitgliedschaften zu fördern."

Rolf Gaßmann hält diese Vorwürfe für "nicht besonders stichhaltig", auch weil sein eingetragener Verein gar keine Gewinne anstrebe und für Mitglieder eine kostenlose Rechtsberatung angeboten werde. Und wenn sich Kritik an einem kritikwürdigen Verhalten geschäftsschädigend auswirke, "dann ist ja nicht der schuld, der drauf hinweist, sondern der Verursacher". Was er sich von der Gerichtsverhandlung am kommenden Donnerstag erwartet? "Dass die Entmietungspraktiken dieses Spekulanten jetzt einer noch breiteren Öffentlichkeit bekannt werden." Er rechnet mit einem beachtlichen Medienaufgebot.


Update vom 4. Juli 2019: Der Mieterverein Stuttgart und Rolf Gaßmann dürfen die hier zitierten Aussagen allesamt weiterhin verbreiten. Dies ist das Ergebnis einer Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart. Nach Ansicht der Kammer sei das Wettbewerbsrecht nicht auf den Fall anwendbar. Der Vorsitzende Richter deutete zudem an, im Falle eines Urteils die streitgegenständlichen Äußerungen als zulässige Meinungen zu werten. Nach einer kurzen Unterbrechungspause entschieden sich die Schwäbische Bauwerk und ihr Rechtsbeistand, ihre Klage wegen geringer Erfolgsaussichten zurückzuziehen. Sie tragen die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wurde auf 40 000 Euro festgelegt.  

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