Da ist das Wohnhaus in der Rötestraße 47, dessen Bewohnern im März 2018 eine drastische Mieterhöhung durch Modernisierungsmaßnahmen angekündigt wurde. Eine 73 Quadratmeter große Wohnung sollte danach 1054 Euro statt 502 Euro im Monat kosten. Wieder haben diese Steigerungen Menschen aus ihren Behausungen vertrieben, heißt es seitens des Mietervereins: "Nicht einmal ein Jahr nach dem Kauf des Hauses (...) hat diese (die Schwäbische Bauwerk, d. Red.) das Gebäude entmietet an eine Fa. Protecturn in Fellbach weiterverkauft".
Da ist die bereits erwähnte Reinsburgstraße 65, in der einkommensarme Rentner nicht mehr wohnen können, und da ist die Forststraße 168, die nach der Modernisierung 137 Prozent mehr Miete kosten soll. Über beide Fälle berichtete Kontext mehrfach. Als die Redaktion eine Stellungnahme von Geschäftsführer Marc-René Ruisinger zu diesen Fällen wollte, ließ der seine Mutter ausrichten: Ihr Sohn sei gerade viel unterwegs, habe überhaupt keine Zeit, und auch kein Handy.
Durch die Vielzahl der Fälle hält Rolf Gaßmann seine Aussagen für gerechtfertigt. Es sei "ein Schema ersichtlich, mit dem Mieter systematisch verdrängt werden". Danach werde das Gebäude wieder verscherbelt, denn "der unsanierte Weiterverkauf eines entmieteten Gebäudes ist deutlich lukrativer als eine aufwändige Sanierung, selbst wenn dies, wie vorliegend (...) mit exorbitanten Mietpreissteigerungen erfolgt."
Alles gesetzeskonform, branchenüblich und somit seriös
Dieses Vorgehen selbst bestreitet die Rechtsvertretung der Schwäbischen Bauwerk im Wesentlichen nicht. Stattdessen heißt es in einem Schriftsatz, der der Redaktion vorliegt, das Unternehmen handle gesetzeskonform und "völlig branchenüblich, so dass mitnichten von 'wilden Geschäftsmethoden' gesprochen werden kann oder diese 'unseriös' seien". Die Schwäbische Bauwerk sei daher eben nicht einer der "größten Wohnungsspekulanten in Stuttgart", sondern ein "kleiner Fisch". Bei den Aussagen des Mietervereins handle es sich daher "mit Nichten [sic] um zulässige Meinungsäußerungen", sondern um "unwahre Tatsachenbehauptungen und Schmähkritik". Gaßmann aber entgegnet, dass dem Mieterverein "trotz der großen Mitgliederzahl kein anderes Unternehmen bekannt ist, das in der dargestellten Form und in dem Umfang mit so einer rücksichtslosen Vorgehensweise systematisch Entmietung betreibt", mit "angekündigten Luxussanierungen, die regelmäßig gar nicht vorgenommen". Dass dies illegal sei, habe er nie behauptet, "unseriös" findet er es wegen der zutiefst asozialen Geschäftspraxis trotzdem. Und er bleibt dabei: Dass es sich bei der Schwäbischen Bauwerk um einen "der größten Spekulanten der Stadt" handle, sei keine Schmähkritik, sondern "eine akkurate Zustandsbeschreibung".
Doch womöglich ist am Ende gar nicht die inhaltliche Bewertung ausschlaggebend. Denn die Rechtsanwälte der Schwäbischen Bauwerk bemühen insbesondere das Wettbewerbsrecht: Durch seinen Boykott-Aufruf, nicht an die Bauwerk zu verkaufen, habe sich der Mieterverein am Markt eingemischt, die Konkurrenz begünstigt – und außerdem Eigenwerbung betrieben: Die Aussagen seien geeignet, "Aufmerksamkeit auf den (...) Mieterverein zu lenken und dessen Unternehmen durch den potentiellen Abschluss neuer Mitgliedschaften zu fördern."
Rolf Gaßmann hält diese Vorwürfe für "nicht besonders stichhaltig", auch weil sein eingetragener Verein gar keine Gewinne anstrebe und für Mitglieder eine kostenlose Rechtsberatung angeboten werde. Und wenn sich Kritik an einem kritikwürdigen Verhalten geschäftsschädigend auswirke, "dann ist ja nicht der schuld, der drauf hinweist, sondern der Verursacher". Was er sich von der Gerichtsverhandlung am kommenden Donnerstag erwartet? "Dass die Entmietungspraktiken dieses Spekulanten jetzt einer noch breiteren Öffentlichkeit bekannt werden." Er rechnet mit einem beachtlichen Medienaufgebot.
Update vom 4. Juli 2019: Der Mieterverein Stuttgart und Rolf Gaßmann dürfen die hier zitierten Aussagen allesamt weiterhin verbreiten. Dies ist das Ergebnis einer Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart. Nach Ansicht der Kammer sei das Wettbewerbsrecht nicht auf den Fall anwendbar. Der Vorsitzende Richter deutete zudem an, im Falle eines Urteils die streitgegenständlichen Äußerungen als zulässige Meinungen zu werten. Nach einer kurzen Unterbrechungspause entschieden sich die Schwäbische Bauwerk und ihr Rechtsbeistand, ihre Klage wegen geringer Erfolgsaussichten zurückzuziehen. Sie tragen die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wurde auf 40 000 Euro festgelegt.
1 Kommentar verfügbar
tim müller
am 04.07.2019ich finde aber, Herr Gaßmann handelt falsch, wenn es aus Eigeninteressen Neubauten in seinem direkten privaten Umfeld zu verhindern versucht.
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-ost-anwohner-wehren-sich-gegen-neubau.af02664d-81c0-49…