Am letzten Arbeitstag des vergangenen Jahres gab es grünes Licht: Per Ausnahmegenehmigung darf das Zementwerk in Dotternhausen bei Balingen im Zollernalbkreis auch künftig mehr giftige Abgase in die Luft blasen als das Gesetz erlaubt. Der amtliche Freibrief des Tübinger Regierungspräsidiums (RP) gestattet dem Werk des schweizerischen Baustoffkonzerns LafargeHolcim konkret, giftiges Kohlenmonoxid (CO) bis zum 36-fachen des gültigen Grenzwerts an die Umwelt abzugeben.
In Zahlen: Statt 50 Milligramm pro Kubikmeter Abluft, wie es die 17. Auflage der Bundes-Immissionschutzverordnung (BImSchV) ab spätestens Anfang 2019 vorschreibt, dürfen im Tagesmittel bis zu 1800 Milligramm (mg) des farb-, geruchs- und geschmacklosen Gases über den Drehofen-Kamin in den Himmel über der 1900 Einwohner zählenden Gemeinde aufsteigen. Das ist nur unwesentlich weniger als dem Werk bis Ende 2018 (2000 mg pro Kubikmeter) vor der Grenzwertverschärfung zugestanden worden war.
Der Halbstunden-Grenzwert ist noch einmal doppelt so hoch wie der für den Tages-Durchschnitt: Bis zu 3600 Milligramm Kohlenmonoxid dürfen zeitweilig die Messfühler registrieren, ohne dass Holcim-Werksleiter Dieter Schillo fürchten muss, wegen einer Umweltstraftat belangt zu werden. Ohne Ausnahmegenehmigung liegt der Halbstunden-Grenzwert für das gefährliche Atemgift, das immer wieder tragische Unglücke auslöst, nur bei 100 Milligramm.
Ein Skandal, sagen Umweltschützer
"In Zeiten von Feinstaubalarm und Fahrverboten sind diese Ausnahmen für Holcim völlig unverständlich", empört sich Norbert Majer, Vorsitzender des örtlichen Vereins für Natur- und Umweltschutz Zollernalb (NUZ). Während Besitzer älterer Diesel zur Luftreinhaltung aus Großstädten wie Stuttgart ausgesperrt werden, bliebe auf dem Land eine Dreckschleuder wie das Zementwerk in Dotternhausen unbehelligt. "Das ist ein Skandal, von dem die Öffentlichkeit jenseits unserer Kreisgrenzen leider nichts weiß", beklagt Majer. Ganz abgesehen davon, dass bei der Herstellung von Zement viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) freigesetzt wird (Kontext <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik klimakiller-tiefbahnhof-3401.html _blank internal-link-new-window>berichtete).
Misstrauisch machte die Natur- und Umweltschützer nicht nur der Torschlusstermin, zu dem die Aufsichtsbehörde die Ausnahme genehmigte. Die Umweltaktivisten stören sich auch an der langen Laufzeit: Bis Ende 2023 darf Holcim das Atemgift in dieser hohen Konzentration ausstoßen. Offenbar gestand das vom einstigen Rottenburger Oberbürgermeister und ehemaligen CDU-Landtagsabgeordneten Klaus Tappeser geführte Präsidium dem Werk sogar mehr Luftverschmutzung zu als beantragt. "Holcim wollte nur 1500 Milligramm als Tagesmittel", sagt Majer.
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Stefan Grotz
am 06.04.2019