KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Auf die Mauer lauern

Auf die Mauer lauern
|

Datum:

Trump macht ernst mit dem Mauerbau und die Aktienkurse von Zementherstellern aus aller Welt schießen in ungeahnte Höhen. Vorne mit dabei ist HeidelbergCement AG, deren Chef schon früh Interesse am Bollwerk bekundete.

Wie war das schön, als man noch spotten konnte. Damals, vor wenigen Monaten, als ein Präsident Trump noch zu abwegig erschien, um Wirklichkeit zu werden, als der Wahlkämpfer Trump den Mauerbau zu Mexiko ausrief, um "Vergewaltiger und Drogendealer" fernzuhalten. Als ihm entfesselte Menschenmengen beseelt zujubelten: "We want that wall! We want that wall!" Und selbst nach Trumps Wahlsieg verblieb zumindest ein bisschen Hoffnung, dass sein Geschwätz bloß Geschwätz bleiben würde.

Aber der Mann meint es ernst. Seit der Amtseinführung unterschreibt er Dekrete in einem Tempo, bei dem andere schon längst eine Sehnenscheidenentzündung hätten. Nur fünf Tage nach seinem Einzug ins Weiße Haus hat er die executive order zum Mauerbau auf den Weg gebracht. Die treuen Trump-Fans freut's, die finden: "Endlich ein Politiker, der seine Wahlversprechen einhält." In der Gesamtbevölkerung hingegen hat der 45. Präsident zwei Wochen nach Amtsantritt die niedrigsten Zustimmungswerte in der Geschichte der USA.

Manche allerdings profitieren von Präsident Donald Trump. Einer davon ist Bernd Scheifele, der Chef von HeidelbergCement. Der hat bisher zwei größere Auftritte geschafft. Einmal im August 2010, als er auf Initiative von E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW den sogenannten Energiepolitischen Appell unterzeichnete, der eine Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke forderte. Und zuletzt, als er sich im Herbst 2016, unmittelbar nach Trumps Wahlerfolg, "mittelfristig positive Effekte für unsere Industrie" versprach – unter anderem durch den Mauerbau.

Recht sollte er behalten: Die Aktienkurse von Zementherstellern weltweit werden vom Trumpschen Bauwerk beflügelt und HeidelbergCement ist ganz vorn mit dabei. Innerhalb einer Woche steigerte sich der Aktienwert um satte zehn Prozentpunkte und schoss noch am 10. November auf ein Jahreshoch von 94,59 Euro, nur einen Tag nach der US-Wahl. Danach ging's wieder ein wenig bergab, aber seit Trump am 25. Januar den Mauerbau anordnete und den Beschluss per Twitter verkündete, herrscht neue Konjunktur: plus 4,4 Prozentpunkte, vom einen Tag auf den andren. Derzeit steht die Aktie des größten deutschen Baustoffherstellers bei knapp 90 Euro pro Stück, Anfang November 2016 kosteten sie 84 Euro und vor exakt einem Jahr noch 60,94 Euro.

Eine Steigerung von rund 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, schon das lässt Unternehmer-Herzen schneller schlagen. In welche schwindelerregende Höhen würden die Kurse da erst emporschnellen, wenn man sich tatsächlich den Auftrag zum Mauerbau sichert, mit geschätzten Kosten irgendwo zwischen 15 und 40 Milliarden Dollar?

Wenn der Auftrag kommt, prüft HeidelbergCement

Vielleicht ist Scheufele aber auch nur missverstanden oder überinterpretiert worden, und das Unternehmen hat, gerade nach der deutschen Geschichte, gar kein Interesse an dem 3200 Kilometer langen Bollwerk? Lassen wir seinen Sprecher Andreas Schaller sprechen. "Die Themen Grenzsicherung und illegale Einwanderung in die USA über die Grenze zu Mexiko sind in erster Linie eine Angelegenheit zwischen den USA und Mexiko", betont er gegenüber Kontext. Übersetzt heißt das wohl so viel wie: Gewissensfragen sind unsere Sache nicht. Und ob gebaut wird oder nicht, das werde nicht Deutschland entscheiden, erläutert Schaller darüber hinaus: "Die Verantwortung für das Geschäft auf lokaler Ebene liegt beim lokalen Management." Sollte tatsächlich ein Auftrag kommen, werde selbiger geprüft und darüber entschieden. Immerhin hat Chef Scheifele dem "Handelsblatt" schon im November gesagt, wenn der Mauerbau komme, sei man mit Zementwerken in Texas und Arizona "gut aufgestellt".

Das nennt man wohl Geschäftssinn. Kai Lange, Chef vom Dienst beim "Manager Magazin", adelt Scheifele bereits als einen "nüchtern kalkulierenden Mann" und meint, es könne "ein Vorteil sein im Rennen um den lukrativen Großauftrag", dass sich "die Deutschen im Mauerbau auskennen". Dagegen spricht allerdings das Trumpsche Credo: "America first." Überzeugte Patrioten würde es wahrscheinlich nicht erfreuen, wenn den Auftrag für das Leuchtturmprojekt, Sinnbild des neuen amerikanischen Nationalstolzes, ein ausländisches Unternehmen einheimsen würde.

Und wenn doch, dann kommt die schärfste Konkurrenz ausgerechnet aus Mexiko. Der Branchenriese Cemex, mit einem Jahresumsatz von etwa 18 Milliarden Dollar, ist emsig auf beiden Seiten der Grenze zu Gange, hat gewissermaßen einen Heimvorteil. Ob der Baustoffhersteller mit Hauptsitz im mexikanischen Monterrey ein solches Angebot aber tatsächlich annehmen würde? Seitens der deutschen Pressestelle heißt es dazu auf Anfrage von Kontext: kein Kommentar.

Eine Absage sieht freilich anders aus. Wie das geht, zeigt der milliardenschwere Immobilienmogul Jorge Peréz. Der hat im Auftrag Trumps zwar schon einige Luxuswohnungen in die Welt gesetzt, eine Mauer will der in Argentinien geborene Sohn kubanischer Eltern allerdings nicht für ihn bauen. Die Mail-Anfrage des US-Präsidenten dazu habe er höflich zurückgewiesen, berichtet "Bloomberg". Im Interview mit dem wirtschaftsnahen Magazin legt Peréz nach und sagt über den Mauerbau: "Das ist die idiotischste Sache, die mir je unter die Augen gekommen ist."


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


10 Kommentare verfügbar

  • andromeda
    am 14.02.2017
    Antworten
    Zu HeidelbergCement und tabuisierten Mauerbauten :

    1.

    Auch die EU , (Friedensnobelpreisträger !) , verhandelt ,

    lt. Vortrag Jürgen Grässlin ,

    mit allen nordafrikanischen Mittelmeer-Anrainerstaaten ,

    - ob Foltermonarchie oder - oligarchie, ob failed state oder…
Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!