Emil ist so etwas wie der Knuddelbär unter seinesgleichen. Neugierig beschnuppert der Ochse jeden, der sich ihm nähert. Zutraulich lässt er sich vom Stadtoberhaupt sogar zwischen den Hörner kraulen, während die anderen Rindviecher Abstand zum prominenten Besucher halten. Es herrscht ungewohnter Trubel im Stall von Demeter-Landwirt Klaus Wais. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn ist zur Hofbesichtigung in den südlichen Stadtteil Riedenberg gekommen. Mit der städtischen Wirtschaftsförderin Ines Aufrecht im Schlepptau, will sich der grüne OB ein Bild machen, wie man so als Landwirt in der Landeshauptstadt über die Runden kommt. Zumal als Bauer, der nach Demeter-Richtlinien wirtschaftet. In einer Großstadt, die mit inzwischen 610 000 Einwohnern an ihre Grenzen gerät, was Flächen für Wohnungsbau, Industrie und Verkehr angeht. Und in der es sich wirtschaftlich vor allem um Automobilbau und High-Tech, um Daimler, Porsche oder Bosch dreht. Aber selten um Ackerbau und Viehzucht.
Vor knapp drei Jahrzehnten, im Wendejahr 1989, hat Klaus Wais den "Hof am Eichenhain" von seinen Eltern übernommen. Bei der Übergabe fiel ein Teil vom kostbarsten Betriebskapital weg. Für acht Hektar guten Bodens hatte die Landeshauptstadt damals den Pachtvertrag gekündigt, was die Betriebsfläche auf einen Schlag um ein Fünftel schrumpfen ließ. Auf den jahrhundertelang genutzten Äckern wuchs ein Wohnquartier empor. Heute baut Wais zusammen mit Ehefrau Monika, Schwiegersohn und einem Teilzeitmitarbeiter auf noch 24 Hektar Ackerland Dinkel, Weizen, Roggen, Kartoffeln und Freilandgemüse an. 14 Hektar Grünland liefern das Futter für eine 12-köpfige Rinderherde, die als Masttiere für die Fleischproduktion das zweite Standbein des Hofes bilden. Ein Teil der Flächen liegen auf Gemarkung der Nachbargemeinde Ostfildern.
Ackern in bevorzugter Wohnlage
Der Hof der Familie Wais hat Geschichte. Hofgebäude samt Stall stammen aus dem 17. Jahrhundert, als Riedenberg noch ein winziger Bauernflecken war. Heute ist der 59-jährige Wais der letzte Landwirt im Ort. In der Nachbarschaft, in der teure Einfamilienhäuser mit großen Garagen und Gärten dominieren, wohnen gutverdienende Ärzte und Manager. Der durchgrünte Stadtteil gilt als bevorzugte Wohnlage. "Er eignet sich hervorragend für Familien mit Kindern oder Naturfreunde, die gerne in Stadtnähe wohnen wollen", beschreibt ein Immobilienportal den Charakter.
Die Aufsiedlung der Landeshauptstadt und ihrer Region in den vergangenen Jahrzehnten macht sich im ländlich geprägten Riedenberg auch auf andere Weise bemerkbar. Durch den verwinkelten Ortskern rollen werktäglich 12 000 Autos. Vor allem in der Rush-Hour wälzt sich ein Pendlerstrom an Haus und Hof vorbei. Lücken in den Autokolonnen, in die der Bauer mit Trecker und Anhänger stoßen könnte, sind dann selten. "Deshalb fahren wir schon auf unsere Felder, wenn die meisten Pendler noch schlafen", beschreibt Wais die Anti-Stau-Strategie.
3 Kommentare verfügbar
Schwa be
am 02.07.2017Ansonsten wird der traurige Rest bäuerlicher Landwirtschaft (Opfer) landes- und bundesweit genau durch diese Politiker bzw. deren Politik (Täter) weiter zerstört, zugunsten bzw. aufgrund der Förderung der extrem profitorientierten…