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Brache statt Business

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Gegenüber vom Ulmer Hauptbahnhof gähnt ein gigantisches Bauloch. Das wird möglicherweise auch so bleiben. Der Investor hat seinen Betrieb eingestellt. Dem geplanten Bau-Prestigeprojekt Sedelhöfe droht eine Hängepartie.

Um weiteren Ermittlungen wegen Zinstricksereien aus dem Weg zu gehen, hat die niederländische Rabobank eine 774-Millionen-Euro-Strafe akzeptiert. Da die Tochtergesellschaften Rabo Real Estate und die MAB Development angesichts des trudelnden Immobilienmarkts 2013 obendrein Rekordverluste eingefahren haben, hat der Konzern nun die Reißleine und damit die MAB aus dem Geschäftsverkehr gezogen. Just den Investor, der das ehrgeizige Ulmer Prestigeprojekt Sedelhöfe hätte umsetzen sollen. Zu dem innerstädtischen Bauloch auf ungewisse Zeit könnte sich jetzt noch ein größeres in der Stadtkasse gesellen, zumal Vertragsstrafen drohen. Kritikern des Vorhabens kommt dies nicht ungelegen.

In Anlehnung an Michail Gorbatschow sei hiermit gesagt: Wer seinen Web-Auftritt nicht rechtzeitig aktualisiert, den bestrafen die aktuellen Entwicklungen. Auf der eigens eingerichteten Sedelhof-Homepage (<link http: sedelhoefe.ulm.de _blank>www.sedelhoefe.ulm.de) kündigt die Stadt Ulm kraft Überzeugung an: "2014 beginnt MAB mit dem Bau der neuen Sedelhöfe." Die Website der Projektgesellschaft (<link http: www.mab.com _blank>www.mab.com) lässt hingegen lapidar wissen: "MAB Development Deutschand GmbH hat seine Aktivitäten zum 1. Juli 2014 eingestellt."

Dabei hätte es doch aus stadtplanerischer Sicht so schön sein können. Nimmermüde war Baubürgermeister Alexander Wetzig allerorten zugange, um die Bedeutung des 150-Millionen-Projekts inmitten der Innenstadt zwischen Hauptbahnhof und Fußgängerzonen plausibel zu machen. Nicht zuletzt der MAB galt die postmoderne Bebauung des Areals in Nachbarschaft zu dem nicht minder ehrgeizigen Citybahnhof-Vorhaben als "Leuchtturm-Projekt". Dem sind indessen zunächst einmal die Lichter ausgegangen, denn statt des Baubeginns für ein zukunftsträchtiges und offen gestaltetes Einkaufs-, Business- und Wohnquartier grüßt ein nun brach liegendes Bauloch.

Ging die Stadt zu leichtfertig mit dem Filetstück um?

Vor allem Kritiker der Sedelhof-Bebauung, die der Stadtverwaltung während des Vergabeverfahrens stets Intransparenz vorgeworfen und befürchtet hatten, die Stadt gebe zu eil- und leichtfertig das Filetgrundstück in die Hand von raffgierigen Investoren, sehen sich jetzt bestätigt. Zumal sie unablässig davor gewarnt hatten, dass die MAB ohnehin nur im Sinn gehabt habe, das Projekt gewinnbringend an Dritte zu verkaufen. Nahezu nichts anderes bleibt der Projektentwicklungsgesellschaft jetzt übrig, will sie einer Vertragsstrafe aus dem Weg gehen. Denn der Ulmer Gemeinderat hat aktuell den Bebauungsplan überraschend diskussionslos auf den Weg gebracht. Damit hat die MAB respektive die Rabobank als Muttergesellschaft drei Monate Zeit, einen entsprechenden Bauantrag einzureichen. 

Dass sie das wohl kaum selber tut, gilt ebenso als offenes Geheimnis wie die derzeit laufenden Verhandlungen mit neuen Investoren, bei denen es sich um die alten Interessenten handeln dürfte, die bei der europaweiten Ausschreibung nicht zum Zug gekommen waren. Nach Lage der Dinge handelt es sich dabei um Mfi Management und die OFB Projektentwicklung/Wöhr + Bauer. Im Gegensatz zur Großbank brennt den umworbenen Investoren nicht die Zeit unter den Fingernägeln, was sich als preiswirksam herausstellen könnte. Denn angesichts der jüngsten Entwicklungen ist schwer vorstellbar, dass die niederländischen Banker noch mehr Geld versenken wollen, als bereits geschehen ist.

Zwar konnte die Rabobank im Geschäftsjahr einen Gewinn von über zwei Milliarden Euro erwirtschaften, allerdings hat sie auch an der 774-Millionen-Euro-Strafe zu knabbern, die sie wegen ihrer Beteiligung am Libor-Skandal im Rahmen eines Vergleichs aufgebrummt bekam. Vergangenes Jahr wurde neben anderen Banken auch gegen die Rabobank wegen des Verdachts der Manipulation des Interbanken-Zinssatzes Libor ermittelt. Ihnen wurde vorgeworfen, an Interbanken-Zinssätzen zu ihren Gunsten gedreht zu haben, um Handelsgewinne einzustreichen. Auf Zinssätzen wie dem Libor oder dem Euribor basieren unzählige Finanzgeschäfte auf der ganzen Welt.

Was den holländischen Sparwillen überdies beflügelt haben dürfte, war das schlechte Abschneiden der Tochterunternehmen der flauen Immobiliensparte. So bedauerte es Bank-Chairman Rinus Minderhoud, den Aktionären vom "entsprechen angefallenen Rekordverlust der Rabo Real Estate" berichten zu müssen. Zu dem Zeitpunkt, als die Rabo Real Estate über 110 Millionen Euro netto verbrannte, war die Planungsgesellschaft MAB längst nicht mehr handlungsfähig und hatte bis auf das Ulmer Projekt jegliche Aktivitäten eingestellt. 

Der Stadt drohen sechs Millionen Euro Vertragsstrafe

Sollte die Rabobank nun wider Erwarten auf Zeit spielen, könnten ihr die Gegner der Sedelhof-Bebauung ungewollte Dienste erweisen. Im Vorfeld hatten bereits diverse Händler eine "Verletzung des raumordnerischen Beeinträchtigungsverbots" gewittert und juristische Schritte angekündigt. Eine juristische Auseinandersetzung hätte für die seitens der Rabobank einzureichende Baugenehmigung eine aufschiebende Wirkung. Sollte nun die auf schnelle Umsetzung bedachte Stadt aufgrund des möglichen Zeitverzugs ihrerseits den Vertrag platzen lassen, was allerdings als höchst unwahrscheinlich gilt, müsste die Kommune sechs Millionen Euro abzüglich ihrer Aufwendungen als Vertragsstrafe berappen. Und falls die MAB keine neuen Vertragspartner präsentieren kann, muss das Projekt neu europaweit ausgeschrieben werden. 

Allein, davon geht der Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner nicht aus. "Ich bin sicher, es gibt eine größere Zahl von Interessenten." Mit einem Zeitverzug rechnet er indessen nicht. Zunächst einmal seien "Rabobank und MAB an den Vertrag und den Planungsentwurf gebunden". Sollten Dritte eintreten, gelten die Regelungen auch für sie. "Wenn sie Abänderungen wollen, muss die neue Gesellschaft das vortragen, dann können wir mit ihr darüber reden." Ergo bleibt es bei der auf der Sedelhof-Homepage veröffentlichen Terminlage: "Die Eröffnung ist für Mitte 2016 geplant."


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2 Kommentare verfügbar

  • Stuttgarter Bürger mit 30.09.2010 Hintergrund
    am 23.07.2014
    Antworten
    Jede deutsche Stadt braucht den Wettbewerb mit BER.
    Das ist sich der Steuermichel schuldig.

    Absurdistan unter den Augen der Ex FDJ Sekretärin gedeiht zu blühendem Fantasialand.

    Der Aufstieg kommt immer vor dem Fall.
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