Dass seine Amtszeit eine Erfolgsgeschichte werden sollte, war noch nicht abzusehen, als er als erster Sozialdemokrat 1992 überraschend den Chefsessel im Rathaus eroberte. Zumal die Mehrheitsverhältnisse im Stadtparlament keine großen Sprünge erwarten ließen. Was sich bis heute nicht geändert hat: Von den 40 Abgeordneten gehören gerade mal acht der SPD an. Indessen hat der gelernte Jurist schon frühzeitig erkannt, dass es "in der Kommunalpolitik darum geht, gemeinsame Lösungen zu finden", und nicht um Parteiräson. Was Gönner als Überzeugungsarbeit und Kompromissfähigkeit jenseits der Parteigrenzen bezeichnet, werten Kritiker seiner Projekte als Machtgehabe eines Verwaltungschefs, der seinen Gemeinderat "im Griff" und die Bediensteten an der Kandare habe.
Am ehemaligen Zögling des Jesuiteninternats St. Blasien gleitet das in schwäbischer Gelassenheit ebenso ab wie die Versuche pietistischer und bürgerbewegter Bedenkenträger, kommunale Projekte zu torpedieren. Zumindest trägt er seinen Ärger nicht zur Schau – nur wer ihn genau kennt, weiß, was hinter der hohen Stirn vorgeht, wie es ihn nervt, wenn hinter allem und jedem Mauscheleien vermutet werden. Insgeheim nagt es an dem barocken Gemütsmenschen, wenn an seiner Integrität gezweifelt wird. Dann "erdet" ihn eine Journalistin: seine Frau Susanne, mit der er zwei Kinder hat. Möglicherweise gelingt es auch nicht mehr, nach über zwei Jahrzehnten Herrschaftswissen die Wege einer pragmatischen Stadtentwicklung plausibel und transparent rüberzubringen.
Was er allerdings zu tun hat. Zumindest sind die Ulmer Oberbürgermeister seit dem 14. Jahrhundert zur Transparenz und zum Rechenschaftsbericht gegenüber der Bürgerschaft verpflichtet. Gemäß dem "Großen Schwörbrief", der ersten Stadtverfassung aus dem Jahr 1397, hat das jeweilige Stadtoberhaupt immer am "Schwörmontag" Auskunft über das Geschehene und das Kommende zu geben, verbunden mit dem Schwur, "Reichen und Armen ein gemeiner Mann zu sein". Was de facto mehr ist als pure Tradition und Folklore. Wenn die Schwörglocke läutet, nimmt man Ivo Gönner, der langatmige Reden als "Martyrium" empfindet, beim Wort – gerade auch, was angedeutete künftige Entwicklungen betrifft.
Darunter Herausforderungen besonderer Art, zumal sich Ulm im Gegensatz zu vielen anderen Städten aufgrund der Grenzlage und des Einzugsgebiets in einer speziellen Situation befindet. Die 180 000-Einwohner-Doppelstadt mit Neu-Ulm auf der bayerischen Seite der Donau bildet das Oberzentrum für knapp zwei Millionen Menschen, die im Großraum leben. Das dies unmittelbar in die Stadtpolitik hineinspielt, hat Ivo Gönner schon zum Amtsantritt zu spüren bekommen, als Ulm bereits durch das Stadtqualitätsprogramm finanziell angeschlagen in den Müllnotstand geriet, weil Frankreich nicht mehr bereit war, Ulmer Abfall zu entsorgen. Dies zu lösen bezeichnet Gönner heute noch als "größte Herausforderung" seiner Amtszeit, zumal der Ulmer Bushersteller Kässbohrer in die Krise geraten war.
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Klaus Neumann
am 16.04.2014