Wer in Berlin lebt, ist "links" oder zumindest "grün". Das vermitteln jedenfalls der hippe Spirit und viele belauschte, multilinguale Tischgespräche in den Kiezkneipen. Doch "links" sein ist mittlerweile ein sehr dehnbarer Begriff und dient oft als blutleeres Lifestyle-Accessoire. Die neuste Umfrage BerlinTREND von Infratest dimap zeigt, dass die Hauptstadt genauso gespalten in ihrer Haltung gegenüber Geflüchteten ist wie der Rest von Europa. 52 Prozent der BerlinerInnen fühlen sich durch Flüchtlinge bereichert. 51 Prozent haben Sorge, dass die Zahl der Straftaten zunimmt. Es scheint, als würde sich immer nur die Hälfte der Befragten in der Öffentlichkeit bewegen, die für den Multikulti-Spirit der Stadt sorgen. Immerhin haben nur drei Prozent der BerlinerInnen Verständnis für Leute, die mit Gewalt gegen Flüchtlingsheime vorgehen. So – neben anderen Angriffen – geschehen im Pankower Ortsteil Buch Anfang August.
In der Nacht vom 8. auf den 9. August haben Unbekannte dort, im letzten, nördlichen Zipfel von Berlin, einen Brandsatz ins "Refugium Buch" geworfen. Bis auf leichte Rauchgasvergiftungen bei sechs BewohnerInnen wurde niemand verletzt. Doch wer auch immer für das Feuer verantwortlich war, könnte gewusst haben, dass sich im ausgewählten Container die Hauptstromversorgung befindet. Rund 170 BewohnerInnen des Containerdorfs mussten vorübergehend neu untergebracht werden. Der Staatsschutz ermittelt noch – bis jetzt erfolglos.
Dass das Heim in Berlin-Buch brennt, war nur eine Frage der Zeit. Seit bekannt wurde, dass die Unterkunft im April 2015 entstehen soll, haben sich die Rechten im Dorf in Stellung gebracht. Von denen gibt es dort viele. Sehr viele. Schnell etabliert sich die Facebook-Gruppe "Kein Asylanten-Container Dorf in Buch" mit rund 3400 Likes. Wer aus dem Kern Berlins mit der S 2 Richtung Bernau fährt und am Bahnhof Buch aussteigt, erlebt auch Multikulti – aber im schlechtesten Sinne: NPD-Wahlplakate, so weit das Auge reicht. An vielen Laternenmasten hängen nicht selten drei auf einmal. Das Dorfidyll täuscht nicht darüber hinweg, dass hier Rechtsextreme für Stimmung sorgen.
Schon bevor die ersten Geflüchteten 2015 ins Heim einziehen, kommt es zu gewalttätigen Attacken von NPD-AnhängerInnen auf das Sicherheitspersonal, das die Baustelle bewacht. NPD-Demos mit Reichskriegsflaggen und ausländerfeindlichen Parolen sollten den Einzug der Geflüchteten verhindern. Bis heute gleicht die Unterkunft einem Hochsicherheitstrakt mit Personalschleusen und hohen Zäunen zum Schutz der BewohnerInnen vor rechtem Terror.
1 Kommentar verfügbar
Schwabe
am 12.09.2016Wenn man sich in dieser Woche einmal die Leitartikel einiger konservativer Blätter und die Statements großkopferter Funktionäre der Parteien, die ein „C“ in ihrem Namen tragen, anhört, könnte man glatt glauben, es herrsche…