Vor ein paar Tagen hat Ursula von der Leyen das gemacht, was sie wohl für einen Witz hält. Auf die Frage der "Zeit", ob Deutschland an Fußball-Weltmeisterschaften in Russland und Katar teilnehmen sollte, antwortete die deutsche Verteidigungsministerin: "Wo auch immer gespielt wird: Deutschland schickt schießendes Personal."
Wenn es wirklich ein Witz sein sollte, dann war es geradezu atemberaubend zynisch. Das Interview in der "Zeit" drehte sich immerhin um den "Islamischen Staat", dem aus Katar erhebliche Hilfe zuteil geworden sein soll, und um den tödlichen Konflikt in der Ostukraine. Aber vielleicht war es ja auch gar kein Witz, sondern die treffende Beschreibung dessen, was eine außer Rand und Band geratene Politikerin in Wahrheit anstrebt: die endgültige Verwandlung Deutschlands in eine weltweit militärisch agierende Macht. Das würde allerdings den Zynismus eines geschmacklosen Witzes noch übertreffen.
Das Erstaunliche: So etwas löst heute in Deutschland keinen Aufschrei aus. Kein Schriftsteller-Pamphlet mit tausenden Unterschriften wie beim Protest gegen die Unternehmenspolitik von Amazon; keinen Brief von zahllosen Intellektuellen an die Kanzlerin wie bei der NSA-Affäre; keine nennenswerten Demonstrationen außer denjenigen, bei denen sich ein paar Besorgte mit fragwürdigen Verteidigern mal Putins, mal der Hamas vermischen.
Nicht nur die Verteidigungsministerin nutzt die seit Jahrzehnten größte Krise in Europa und die epochalen Veränderungen im arabischen Raum, um die militärische Zurückhaltung deutscher Außen- und Sicherheitspolitik sturmreif zu schießen: "Wichtiger als die Frage, ob und welche Waffen wir liefern, ist die Bereitschaft, Tabus beiseite zu legen", sagte sie im "Zeit"-Interview. Und sie sprach damit aus, was man hinter all den harmlos klingenden Worten über deutsche "Verantwortung" vermuten muss, die wir regelmäßig zu hören bekommen, ob vom Bundespräsidenten oder vom sozialdemokratischen Außenminister.
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Gaigeler
am 15.09.2014