Die Malerei war ein Weg, dies zu verarbeiten, "die Bilder entstanden, wobei mir anfangs gar nicht klar war, ob sie für Maria sind". Bischof zeigt mehrere Bilder ihres Zyklus’ und erzählt parallel die Geschichte ihrer Großmutter, es habe sie "sehr befreit, die Bilder zu malen".
Kunst sei ein ganz wichtiger Bestandteil dieses Projekts, sagt Jochen Bonz. "Die Idee ist: Wir schaffen verschiedene Räume der Artikulation, um sich mit diesem Verbrechen auseinanderzusetzen. Alles ist eng verzahnt." Bei den bisherigen Exkursionen von Münster nach Grafeneck mit seinen Studierenden seinen immer auch Künstler:innen dabei gewesen. Und neben der historischen Vermittlung sei es immer auch darum gegangen, dass die Studierenden am Ende selbst künstlerisch aktiv werden, um das neu Gelernte in Bildern verarbeiten. Einige davon sowie Fotos der Exkursionen sind ab dem 17. Januar in einer Ausstellung in Münster zu sehen. Und für 2026 ist in Kooperation mit dem Kunstmuseum Reutlingen eine Ausstellung mit Kunst zur NS-"Euthanasie" geplant.
Erinnerungskultur: Was kommt davon an?
Im April 2024 hat das Projekt, finanziell gefördert von der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZ), begonnen, bis Ende 2025 soll es noch gehen. Was bringt einen Professor aus Münster auf die Alb? Zum einen stammt Jochen Bonz aus Stuttgart, wurde 1969 dort geboren, und kannte Grafeneck schon länger. Zum anderen gibt es noch einen historischen Bezug zwischen den Orten: 1941 kritisierte der Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen die Morde. Das führte zwar augenscheinlich dazu, dass die Morde eingestellt wurden – tatsächlich wurden sie aber in dezentraler Form weitergeführt und die Nazis hatten 1941 schon einen großen Teil ihres furchtbaren Ziels bei der "Euthanasie" erfüllt. Dennoch war es ein wichtiger Moment des Widerstands gegen die Entmenschlichungsstrategien der Nationalsozialisten.
Ganz praktisch treibt Bonz ein Thema an, dass nicht nur wegen der zunehmenden zeitlichen Distanz zum NS-Regime drängender wird: "Das Problem bei der Erinnerungskultur ist ja immer: Was kommt davon an?", sagt er. Wie vermittele man solche Themen nicht nur Gymnasist:innen, sondern etwa auch Jugendlichen aus "Problemhaushalten"? Wichtig sei ein "emotionaler Bezug": "Nicht nur zu sagen, dass so etwas nie wieder passieren soll, sondern dass das einen auch emotional erreicht."
Das gelinge bei den inklusiven Führungen in Grafeneck schon mal sehr wirkungsvoll, findet Bonz. Weil die Studierenden realisieren, dass hier Menschen sprechen, die die Nazis als "lebensunwertes Leben" betrachtet und umgebracht hätten. Und weil das den betroffenen Menschen wie Gerd Holder selbst sehr bewusst ist – und deswegen ein Anliegen, es nicht dem Vergessen anheim zu geben.
Ziel des Projekts sei auch, ein Gerüst für Workshops mit Schulklassen und Jugendgruppen zu schaffen. Die Workshops sollen im Rahmen des Projekts von den Studierenden durchgeführt werden, der erste in der kommenden Woche, "mit Neuntklässlern aus einer Hauptschule". Die Struktur soll sich dabei an Erfahrungen aus den Exkursionen orientieren: Erst eine allgemeine Hinführung, mit Ausstellungsbesuch oder Führung. Dann die eigene Arbeit mit Dokumenten aus der Zeit. Und schließlich ein kreativer Ausklang: Mittels Malerei einen Raum zu schaffen, das Gelernte und Erarbeitete ein bisschen sacken zu lassen. "Ich habe den Eindruck, das eigene kreative Tun ist ganz wichtig, damit man es nicht einfach wieder verdrängt", sagt Bonz.
Hier geht's zur Homepage der Gedenkstätte.
Die Ausstellung "Grafeneck 1940“ zeigt von 18. Januar bis 21. März im Landratsamt Tübingen Druckgrafiken und Installationen von Jochen Meyder, in denen er sich mit dem Massenmord auseinandersetzt. Außerdem sind Arbeiten der Künstlerin Andrea Piontek und von Menschen, die heute in der Einrichtung Grafeneck leben, zu sehen. Zur Eröffnung am 18. Januar um 19.30 Uhr spricht Thomas Stöckle, Leiter der Gedenkstätte Grafeneck, anschließend führt Kreisarchivar Wolfgang Sannwald ein Gespräch mit Jochen Meyder. Der Eintritt ist frei, um Anmeldung unter kultur@kreis-tuebingen.de wird gebeten.
Die Ausstellung "Was hat die Ermordung von Menschen mit Behinderungen während des Nationalsozialismus mit uns zu tun?" zeigt vom 17. bis 31. Januar im B-Side Kulturverein in Münster Fotos und Bilder von Studierenden der Katholischen Hochschule, die bei den Exkursionen nach Grafeneck entstanden sind. Vernissage ist am 17. Januar um 19 Uhr.
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