Ein großer S-Bahn-Plan empfängt die BesucherInnen in der Städtischen Galerie Böblingen. Tatsächlich sind Stuttgarter Haltestellen wie Eugensplatz, Staatsgalerie, Hölderlinplatz und Killesberg darauf verzeichnet, aber auch Jahreszahlen, der Name Hölzel und einiges mehr. Ein Zeitstrahl weist von rechts nach links. In der üblichen, umgekehrten Leserichtung geht es von der Jetztzeit zurück in die Vergangenheit. Aber viele Linien führen auch weiter in eine Zukunft, die noch nicht feststeht.
Die Idee hatte Corinna Steimel, die seit sechs Jahren die Galerie in der alten Böblinger Zehntscheuer leitet. Gleich mit ihrer zweiten großen Ausstellung "Die Klasse der Damen" hatte sie für Böblinger Verhältnisse einen Besucherrekord aufgestellt. Der doppeldeutige Titel spielt an auf die Damenmalklassen an der Stuttgarter Kunstakademie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Mit der aktuellen Ausstellung knüpft Steimel daran an. Sie heißt "Netzwerkerinnen der Moderne" und bezieht sich auf die deutschlandweite Zulassung von Frauen zum Studium vor 100 Jahren. Das "♀-Kunstnetz", in dem sich Raum und Zeit kreuzen, versinnbildlicht die komplizierten Wege zur künstlerischen Gleichberechtigung.
Aus sittlichen Gründen: kein Aktzeichnen für Frauen
In der Vorgängerausstellung hatte Steimel das Thema von Grund auf bearbeitet. In Stuttgart waren Frauen bereits in den 1860er-Jahren zum Kunststudium zugelassen, später jedoch nur noch als außerordentliche Studierende zu erhöhten Studiengebühren. Zwei Malerinnen, Anna Peters und Sally Wiest, gründeten 1893 den Württembergischen Malerinnen-Verein, heute Bund Bildender Künstlerinnen (BBK). Damals war es Frauen aus sittlichen Gründen verboten, am Aktzeichnen teilzunehmen, deshalb gab es dann eine eigene Damenklasse. Neue Wege ging Adolf Hölzel, der schon in der Künstlerkolonie Dachau, dann ab 1905 an der Stuttgarter Kunstakademie und auch nach seiner Emeritierung privat zahlreiche Schülerinnen anzog.
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