Zeeb selbst ist stellvertretender Vorsitzender von Haus & Grund Stuttgart, das Editorial in der Mitglieder-Zeitschrift hat jedoch angeblich jemand anderes verfasst: Chefredakteur Ulrich Wecker. Schön, dass die beiden so viele Gemeinsamkeiten haben. Weiterhin heißt es bei Haus & Grund respektive den Freien Wählern: Der Unmut in der Bevölkerung und die angespannte Lage an den Wohnungsmärkten ließen sich nicht durch "Leerstandsschnüffelei oder Mietpreisbegrenzungen beheben". Wow!
Die tollsten Passagen des kapitalistischen Haus-&-Grund-Manifests enthielt Jürgen Zeeb dem geneigten Rathauspublikum allerdings. Von der Hausbesetzung in der Wilhelm-Raabe-Straße 4, steht dort, "müsste man eigentlich meinen, es handle sich um einen Einzelfall, von ein paar linken Spinnern initiiert, die tief in ihre ideologische Mottenkiste griffen, um billig um Aufmerksamkeit zu heischen, die sie anderswo aufgrund ihrer Bedeutungslosigkeit nicht bekommen." Geht's noch 'ne Nummer größer? Selbstverständlich. Wie wäre es mit: "Statt den geistigen Brandstifter, Linken-Stadtrat Tom Adler, zur Ordnung zu rufen, bagatellisierte OB Kuhn die Hausbesetzung sogar", und das auch noch "in einer zusehends eigentümerfeindlichen und aufgeheizten Stimmung".
Tatsächlich ist die Lage in Deutschland sogar so eigentümerfeindlich, dass die Vonovia als größtes Immobilienunternehmen der Republik in den vergangenen drei Jahren gerade mal schlappe 75,7 Prozent Rendite machen konnte. Nein, da ist kein Komma verrutscht! Finanziert wird die großteils von den Mietern. Doch nachdem seine Vorredner ihre "teils sehr realitatsferne Sicht geschildert" haben, ist wenigstens Jürgen Zeeb zur Stelle, um Wahrheit und Wirklichkeit Weg zu bahnen.
Doch es hilft alles nichts. Nur zwei Stunden nach seiner Rede wird in Bad Cannstatt schon wieder ein Haus besetzt, zumindest für kurze Zeit. Es gehört der Stadt und steht seit elf Jahren leer. Diesmal wollen die AktivistInnen nicht dauerhaft bleiben, dafür ist das Haus mit mehreren hundert Quadratmetern Wohnfläche zu heruntergekommen, es gilt als baufällig. Der Protest ist symbolisch und etwa 150 Menschen machen mit. Sie tragen Bierbänke und Lautsprecher in den Hof, die Stimmung ist locker und entspannt. Konkrete Kritik an Heuschrecken wie der Vonovia wird durchaus formuliert, aber - oh, Wunder! - es sind gar keine undifferenzierten Hassreden gegen das böse Privateigentum zu vernehmen.
Nach ein paar Minuten guckt auch die Polizei vorbei und erkundigt sich, was da abgeht. "Hier will niemand einziehen", versichert ein Aktivist gegenüber den vier Beamten, "bis Mitternacht sind wir wieder draußen." Der Wortführer der Uniformierten meint, das sei "ja eigentlich gar keine richtige Besetzung, mehr eine Art Spontandemo" und lässt die Leute gewähren. Die halten ihr Versprechen, bauen um elf wieder ab und alles bleibt friedlich.
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Schwa be
am 24.06.2018