Grundstücke sind in Eden Gemeinbesitz, zu einem moderaten Erbbauzins. Sie werden für 50 Jahre an Genossenschaftsmitglieder vergeben. Die Häuser sind dagegen Privateigentum: Um die notwendigen Reparaturen kümmern sich die Bewohner selbst. Zieht einer weg, kauft der Nachfolger das Haus und tritt in den Erbbauvertrag ein oder schließt einen neuen ab.
In der Nazizeit nahm die Vegetariersiedlung selbst ihre Gleichschaltung vor. Anna Rubner, Kommunistin, musste "Totila" aufführen, ein Machwerk des Gauleiters Wilhelm Kube. Aber Bewohner jüdischer Herkunft wie der Bildhauer und christliche Prediger Wilhelm Groß, dessen Werke überall in Eden zu sehen sind, überstanden hier den Zweiten Weltkrieg.
Die DDR förderte Genossenschaften, behinderte jedoch selbstständige Aktivitäten. Der Betrieb lief weiter, ohne expandieren oder sich erneuern zu können, 1972 wurde er verstaatlicht. Häuser von Edenern, die wegzogen oder ohne Erben verstarben, fielen ebenfalls an den Staat. Die meisten befinden sich heute wieder im Besitz der Genossenschaft.
Dann kam der Sündenfall
Nach dem Krieg gründete der Edener Kurt Großmann in Bad Soden im Taunus eine West-Tochter, welche die Reformhäuser belieferte. "Damals hat man sich in die Hand versprochen, dass, wenn die Grenze fällt, die Markenrechte wieder nach Eden zurückfallen", sagt Gödde. Doch als die Mauer dann fiel, verkauften die West-Genossen die Marke ausgerechnet an den Sandoz-Konzern. Aus Sandoz wurde Novartis, Eden ging an die De-Vau-Ge der Sieben-Tages-Adventisten und schließlich 2012 an Heirler Cenovis in Radolfzell, eine Tochter des Schweizer Konzerns Hügli.
Der Verwertungsbetrieb fiel als Staatseigentum unter die Fittiche der Treuhand, die ihn wie fast alle Ostbetriebe für unwirtschaftlich erklärte und stilllegte. Die Genossenschaft war ihrer einstigen Haupt-Einnahmequelle beraubt. Von ihrem Anteil aus dem Verkauf in Bad Soden konnte sie Wohltaten finanzieren wie die Hundert-Jahr-Feier 1993 oder den Bau eines neuen Kindergartens mit bepflanztem Dach und der größten freitragenden Lehmkuppel Europas.
Der Sündenfall begann mit riskanten Kapitalanlagen. Infolge der Bankenkrise 2008 gingen der Genossenschaft 10 von 17 Millionen Euro verloren. Statt sich auf die ureigenen Werte zu besinnen, setzte der neue Vorstand externe Geschäftsführer ein. Ausgabenkürzungen, Grundstücksverkäufe und Erhöhung der Erbbauzinsen sollten die Finanzen sanieren. Die Geschäftsführer selbst kosteten die Genossenschaft 84 000 Euro im Jahr.
Mittlerweile schreibt die Genossenschaft wieder schwarze Zahlen. Sie hat allerdings Federn gelassen: Das Anlagevermögen ging seit 2011 um rund eine Million Euro zurück. Bibliothek und Volksküche gibt es nicht mehr. Die "Edener Mitteilungen", mit Unterbrechungen seit 1906 erschienen, sind von einem offenen Forum des Austauschs zu einem Mitteilungsblatt des Vorstands geschrumpft.
Zum Eklat kam es 2012, als eine "Apfeldemonstrationsanlage" mit seltenen alten Sorten parzelliert und an Bauwillige vergeben wurde. Dieter Eisenberger, leidenschaftlicher Gärtner und unmittelbarer Anlieger, warb mit acht anderen Edenern dafür, die Anlage selbst zu übernehmen. Eisenberger hat vor Gödde das Museum betreut. "Kein Wort des Dankes", moniert er. Wegen genossenschaftsschädigendem Verhalten drohte ihm der Vorstand sogar mit Ausschluss.
Eden hat seine Seele verkauft
Einige alte Edener sind damals aus Ärger ausgetreten. Nun will der Vorstand die Satzung ändern und Investoren an Land ziehen, um aus dem ehemaligen Obstverwertungsbetrieb ein Wohnprojekt zu machen. Auf dem Festplatz, wo 1932, als absoluter Höhepunkt in der Geschichte der Siedlung, der 8. Internationale Vegetarierkongress stattfand, droht ein Parkplatz zu werden. Alle gegenläufigen Bemühungen sucht der Vorstand mit allen Mitteln zu unterbinden.
Wie es scheint, hat Eden seine Seele verkauft. An der Straße steht ein mexikanisches Grillhaus. Die neue Geschäftsführerin Gabriele Haake, eine frühere Treuhand-Mitarbeiterin, stellt sich in den Edener Mitteilungen als "vierblättriges Kleeblatt" und "Immobilienkaufmann" vor. Am Ort der Freilandbewegung hält die Bodenspekulation Einzug.
Mit Silvio Gesell hat sich der sonst so gut informierte Rainer Gödde noch nicht näher beschäftigt: Ein schwerwiegender Fehler. Denn die Ideen der Bodenreform sind heute so wichtig wie nie zuvor. Auch der Gedanke des nachhaltigen Wirtschaftens im Einklang mit der Natur, wie er in Eden bereits verwirklicht war, ist heute aktueller denn je. Nur an der Genossenschaftsspitze scheint dies vorbeigegangen zu sein.
1 Kommentar verfügbar
Hein Gorch Hinse
am 27.08.2019