Ulrich Klan ist 63, ein kompakter Mann aus Wuppertal mit langer Widerstandsgeschichte und einer kleinen blauen Geige, die an seinem Ohr baumelt. Die trägt er, seit er vor 30 Jahren mit einer Gruppe Musiker vor den Toren der Mutlanger Heide gegen die Stationierung von Pershing-Raketen angespielt hat. Er ist Musik- und Politiklehrer, freier Musiker mit diversen Bands, Geiger, seit er sechs Jahre alt ist, und einer der Gründungsmitglieder dieses besonderen Orchesters. "Klassische Musik ist die feinste und edelste, die es gibt", sagt er. "Sozusagen eine schönheitsorientierte Widerstandsform." Er lächelt. Damen und Herren mit Strohhüten, Transparenten und Friedensfahnen formen sich währenddessen auf Bierbänken zu einem adäquaten Publikum. Etwa 200 Menschen sind zum Konzert gekommen.
Musikalische Vollblockade seit sechs Uhr morgens
Seit 1986 setzen sich Ulrich Klan und die Lebenslaute jedes Jahr einmal mit großem Ensemble und Chor für Umweltschutz ein, für Menschenrechte, gegen Krieg und für Frieden, überall dort, wo Ersterer geführt und Letzterer vergessen wird. 2013 haben sie vor dem Abschiebegefängnis in Eisenhüttenstadt gespielt, 2012 in Oberdorf vor dem Heckler-&-Koch-Werk, sie waren in Wackersdorf und Gorleben, haben vor Truppenübungsplätzen und Frontex Konzerte gegeben, in Brandenburg vor Maisfeldern "lieber wild musiziert als genmanipuliert!" und 1999 vor dem AKW Biblis die "Abschiedssymphonie an die Atomenergie" gespielt, immer in Zusammenarbeit mit lokalen Aktionsgruppen. In Stuttgart mit dem "Aktionsbündnis Africom und Eucom schließen", dem "Friedensbündnis Esslingen", "Ohne Rüstung Leben", den "Anstiftern" und der "Volxküche München". Das Motto: "klassische Musik – politische Aktion".
Schon seit sechs Uhr sind die Aktivisten rund um die Kaserne unterwegs. Sie haben alle Eingänge blockiert, bis kein Soldat mehr hineinkonnte, haben sich wegtragen lassen, Platzverweise kassiert. Nun sitzen sie hier, stimmen in schicken Blusen und Röcken, in schwarzen Anzügen und weißen Hemden ihre Waffen gegen das anonyme Morden, das nur wenige Meter hinter ihnen geplant wird. Eine Demonstrantin geht vorbei und reckt ihr Transparent in die Höhe: "No more Murder by Drones!", steht drauf.
Zwei Soldatinnen und ein Soldat in sandfarbenem Tarnfleck stehen hinterm Zaun, amüsiert und neugierig. Überall auf der Welt demonstrieren Leute vor US-Basen, sagt der Soldat. Aber hier, vor den Toren seiner Kaserne, seien es sonst nur eine Handvoll. Eine Frau schiebt den dreien das Programmheft durch den Zaun. "Die spielen gleich ein Konzert?", fragt der Soldat. "Really?" So was habe er ja noch nie erlebt. Ja, really, sogar eines mit Chor.
6 Kommentare verfügbar
Pat Hall
am 03.09.2016Danke auch die Kommentatoren und ganz besonders an die Umsichtigen Links von Charlotte Rath.
Diese Umsicht ist es was wir als Bürger…