Mitten im Wohlstand, am fetten See, da wo die reichen Stuttgarter ihre Segelboote ins Wasser schmeißen, ihre Zweitwohnungen unterhalten, wo reiche Pensionäre ihre Villen errichten, verborgen hinter Zäunen und Hecken, pendelnd zwischen Deutschland und der Schweiz, da lebt er, fröhlich zwischen seinen dicken Männern mit kleinem Geschlecht und den großen Weibern mit Mutterbusen, der uns erschlägt, so als sei er einer, dem das wichtig wäre: das Geschlechtliche, der Blick auf unser Vergehen, auf unsere Vergänglichkeit. Da sitzt er, der Peter Lenk, und lacht über die Deppen in ihren Palästen und Kathedralen und zwitschert ihnen entgegen: "Ihr könnt Tempel bauen und Reichtum horten, Ihr seid vergänglich wie alles, wie der Wurm und Ihr seht aus, wie alles, das keinen Sinn macht: Fett und träge."
Schaut man näher hin, so erkennt man, mit wieviel Liebe und Genauigkeit seine Zwerge und Gnome, seine Bankpräsidenten, seine Westerwelles und Merkels, seine Schröders und seine Welttyrannen geschaffen wurden. Die Welle am Bauch, die Falte im Gesicht, der Triumph in den Augen. In den Augen der Imperia, die am Hafen von Konstanz über alle blickt, alles überblickt: sie ist geblieben, als Verkörperlichung der Lust, die triumphiert über den Tod. Sie erinnert alle Spießbürger daran, dass sie es waren, die den Huss in die Flammen gehängt haben.
"Den Spießbürgern nicht den öffentlichen Raum überlassen"
Peter Lenk, der Bildhauer, der anarchische Künstler, der in Bodman lebt, hat eine klares Credo: "Den Spießbürgern nicht den öffentlichen Raum überlassen." Er zitiert gerne den alten Meister Goethe: "Es wird einem nichts erlaubt, man muss es nur sich selber erlauben, dann lassen sich's die andern gefallen, oder nicht." Diesen Satz hat er sich zu Herzen genommen und wie kein anderer Straßenkünstler in Europa Aktion und Kreativität miteinander verbunden.
In fünfundzwanzig Städten und Gemeinden stehen die Skulpturen des Satire-Bildhauers. In Baden-Württemberg, in Hessen, in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin und jede hat ihre eigene Geschichte.
Zur 750-Jahr-Feier in Berlin stellte Peter Lenk, als ungenehmigten Beitrag zum Berliner Skulpturen-Boulevard das 12 Meter lange "Narrenschiff" auf einem Tieflader ab. Mitten auf den Breitscheidplatz, gleich neben der Gedächtniskirche. Sein Monument musste schon am nächsten Tag entfernt werden, weil an diesem Ort eine kirchliche Kundgebung geplant war, und auf dem Schiff zwei verschrumpelte Bischöfe und ein hermaphroditischer Kardinal zu sehen waren. Lenk erklärt, er habe damals 105 DM Strafe zahlen müssen und einen Punkt in Flensburg wegen "Abstellen von Schiffen auf öffentlichem Straßenland" kassiert.
Aber das hielt ihn nicht auf. Im Gegenteil. Auf dem Münsterplatz in Bonn wurde "Dyonisos im Fettnäpfchen" errichtet, eine Metapher auf Helmut Kohl (1987). Später folgte in Überlingen ein alter Martin Walser auf klapprigem Gaul, nur fehlte hier die Auschwitzkeule. Der Großschriftsteller war ohne Humor und drohte an, den Platz nie mehr betreten zu wollen. Lenk ist eben kein Opportunist, keiner ist gefeit vor seinem strengen Blick.
Der kapitalistischen Welt ihre eigene Melodie vorsingen
Peter Lenk blieb sich treu. War es nicht sein Anliegen, dieser vom materiellen Kapitalismus geprägten Welt ihre eigene Melodie vorzusingen, entfremdet und erst in der Entfremdung, der Wahrheit so nah? Waren seine Figuren nicht auch immer Dämonen der Nacht, die der Schlaf der Natur fressenden Bestie Kapital gebiert?
Man könnte sich auch Gedanken machen um Peter Lenk. Und fragen, ob damals in Nürnberg den kleinen Bub, den Franken, die Mütter und Tanten so geängstigt hätten, dass ihr Busen überdimensioniert den kleinen Lenk zu erschlagen drohten? Aber Lenk würde lächeln. Ein wenig Freud würde ihm guttun, hatte er nicht von ihm gelernt, wie wichtig es war, die inneren Bilder nach außen zu kehren?
3 Kommentare verfügbar
Annelie und Oskar
am 18.08.2021Wir waren vor knapp 40 Jahren Gäste in der Ferienwohnung der Familie Lenk. Das war purer Zufall.
Und wir waren total begeistert von den Skulpturen und unserem Urlaub dort am See in Bodmann.
Erst 70 Jahre ist er geworden!
Herzlichen…