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Wie die Zukunft klingen könnte

Wie die Zukunft klingen könnte
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 Fotos: Joachim E. Röttgers 

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Datum:

In Kirchheim bringt Neue Musik Marktgänger und Musikschüler, Chor und Punkband, Orchester und Flüchtlinge zusammen. Auf den Spuren einer Utopie, die in diesem Moment vielleicht schon begonnen hat.

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Es nieselt kaum spürbar am Samstagvormittag in Kirchheim unter Teck. An den Marktständen der Fachwerkstadt gibt es Köstlichkeiten wie frisch gebackenes Brot. Vor dem Kornhaus steht der blaue Oldtimer-Doppelstockbus des Netzwerks Neue Musik Baden-Württemberg. Kurz vor zehn Uhr fängt der Schlagzeuglehrer Andreas Probst mit zwei Schülern an, rhythmisch auf Verkehrsschildern, einem Geländer, einem Laternenmasten zu trommeln, bis die Rathausglocke einsetzt und mitspielt.

Es ist die zweite Station des Festivals "Spurensuche", das Neue Musik in die Provinz trägt: nach "Soundwalks" mit Kopfhörern im Göppinger Stadtraum und einer Klanginstallation in der dortigen Kunsthalle. Ein ähnliches Festival gab es bereits 2010 in der Region Stuttgart. Es hieß "Zukunftsmusik". Der Name spricht für sich. Gefördert vom bundesweiten Netzwerk Neue Musik, verwandelte es ganze Orte zu Klangkörpern.

Die Förderung lief 2011 aus. Ersatz zu finden war schwierig. 2012 gründete sich der Verein Netzwerk Neue Musik Baden-Württemberg mit Geschäftsstellen in Stuttgart und Freiburg. Zwei Jahre später tourte der blaue Doppeldecker erstmals durch 18 Orte des Landes. Nun ist mit "Spurensuche" der Punkt erreicht, wo sich wieder sieben Stadtkomponisten mit den Besonderheiten jeweils einer Stadt vertraut gemacht haben, um daraus mit lokalen Akteuren ein Programm zu schmieden.

"Spurensuche": Dieser Titel versteht sich nicht ganz von selbst. Spuren weisen gemeinhin in die Vergangenheit. Das Festival dagegen will "den Fährten einer positiven gesellschaftlichen Zukunft" nachgehen. "Wie sieht das menschliche Zusammenleben in Zukunft aus?", fragt das Programmheft: "Wie wollen wir miteinander umgehen? Und: Gibt es in der Gegenwart bereits Ansätze einer positiven gesellschaftlichen Zukunftsvision?"

"Wandelkonzert zur Marktzeit" nennt sich das Programm des Kirchheimer Stadtkomponisten Matthias Kaul: Das Publikum wandelt von Ort zu Ort, auf den Spuren des Wandels. Die Aufführungen finden in geschlossenen Räumen statt: Ziel ist nicht, schräge Töne in den Wochenmarkt einzuschmuggeln, sondern zuerst einmal den Beteiligten - Ensembles der Musikschule, weitere Musikgruppen und andere Akteure - Spuren zu legen, die ins Unvorhergesehene, Neue führen.

Es beginnt im Spitalkeller mit dem Ensemble Attraverso. Zwölf Querflötistinnen spielen im Achtelrhythmus jeweils nur einen Ton, ein Geräusch, singen eine Silbe oder vollführen eine Geste. Das klingt ungewohnt, und es dauert eine Weile, bis sich die Unruhe im Publikum legt. Das Liederorchester, das nun folgt, singt nicht, vielmehr ist in der Mitte ein Fahrrad aufgebaut. Ein Junge dreht am Pedal, ein anderer bringt die Speichen zum Klingen, begleitet von Streichern und einer Harfe, an der weiße Kügelchen hängen. 

Dirigent Takashi Otsuka fordert von seinen Nachwuchsmusikern höchste Aufmerksamkeit. Denn darauf kommt es an, egal ob die Musik alt oder neu, die Musiker alt oder wie hier ziemlich jung sind. Voller Konzentration sind sie bei der Sache, als Otsuka spielerisch mit einem Ball dirigiert. Immer wenn er ihn auf den Boden tippt, müssen alle mit den Füßen aufstampfen.

Zwischen Bildern von Radicchio und Roten Rüben spielt danach ein fünfköpfiges Ensemble aus den Reihen des Symphonieorchesters der Musikschule in der ersten Etage des Kornhauses. Die Besonderheit: Das Publikum bestimmt mit. Wer will, kann sich am Eingang Zettel mit Nummern mitnehmen und den Musikern auf die Notenständer legen.

Sie spielen dann, jeder in der Reihenfolge der Nummern auf seinem Pult, mal langgezogene Töne, mal schnelle Läufe, mal einen genau festgelegten Rhythmus. Andreas Probst hat einen weiteren Auftritt mit zwei Schülern. Auf Fingerzeig erhält jeder einmal ein Solo oder erzählt, einfach die Aufführung unterbrechend, was sie gerade tun und wie es dazu kommt.

In der Martinskirche hat der Orchester-Dirigent Johannes Stortz viele Blätter vor sich liegen: Nummern, Noten, ein Gesamtablauf der Partitur. Aber zunächst beginnt auf der rechten Seite Robert Kast mit seinem Chor "Happy Voices". Herzerweichend singen sie "It's a Wonderful World", dann grätscht von links die Punkband "Problem System" dazwischen, bevor das Symphonieorchester die Melodie von "Herr der Ringe" anstimmt.

Nach und nach weicht das altbekannte Material etwas Neuem, in das sich die Stimmen von fünf Flüchtlingen mischen, die auf Rumänisch, Arabisch und Farsi erzählen - wer das nicht versteht, nimmt nur die Sprachmelodie wahr. Eine Frau mit Kopftuch singt auf Türkisch - oder Kurdisch? - ein Lied. Eine musikalische Vision davon, wie sich Hoch- und Subkultur mit den Stimmen der zuletzt Angekommenen zu etwas Neuem vereinen.

Hörprobe:

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Info:

An diesen Terminen ist die "Spurensuche" noch zu sehen und zu hören:

  • 13.10., 20 Uhr, Villingen und Schwenningen
  • 14.10, 19.30 Uhr, Sinsheim
  • 15.10., 19 Uhr, Bruchsal
  • 16.10., 18 Uhr, Blaubeuren
  • 21.10., 17 Uhr, Ellwangen.

Der Eintritt ist frei. Außredem gibt es in allen Städten auch "Klingende Busperformances". <link http: www.neuemusikbw.com spurensuche-2016 external-link-new-window>Das genaue Programm finden Sie hier.


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1 Kommentar verfügbar

  • Ernst-Friedrich Harmsen
    am 12.10.2016
    Antworten
    Sehr spannend - und hoch musikalisch! Was für ein Ziel! Danke für die Sache und den Artikel.
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