So zum Beispiel viele Betriebe in der Lebensmittelbranche, die seit vielen Jahren ganz gezielt auf gentechnikfreie Rohstoffe und Produkte setzen. Würden CETA und TTIP Wirklichkeit, dann wäre dies in Zukunft wesentlich schwieriger. Denn es ist kein Geheimnis, dass insbesondere die Agrarlobby in den USA und Kanada eine Lockerung der Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Produkte erreichen will, um diese auf dem europäischen Markt zu platzieren. Und in den aktuellen CETA-Texten ist festgeschrieben, dass Kanada und die EU das Ziel verfolgen, Handelshemmnisse im Bereich biotechnologisch veränderte Produkte zu minimieren. Das heißt auf gut Deutsch: Hürden für den Export von Genprodukten und -rohstoffen abzubauen. Damit ist zu befürchten, dass genmanipulierte Lebensmittel in Europa zunehmend Verbreitung finden und dass es damit immer schwieriger wird, gentechnikfreie Rohstoffe zu beschaffen und zu hochwertigen Produkten zu verarbeiten.
Ebenso im Entwurf für das CETA-Abkommen findet sich eine weitere Passage, die bei vielen Herstellern traditioneller Lebensmittel in Europa die Alarmglocken läuten lässt: der Schutz der geschützten Herkunftsbezeichnungen für traditionelle regionale Produkte soll verwässert oder gar aufgehoben werden. Betroffen ist dabei auch meine Branche – und zwar die Bezeichnung "bayerisches Bier". Dieses darf bisher nur von bayerischen Brauereien hergestellt werden. Tritt CETA nun in Kraft, dürfen Brauereien in Kanada zwar nicht "bayrisches Bier" auf den Markt bringen, sehr wohl aber "bavarian beer" oder "bière bavaroise" – also unter der englischen oder französischen Bezeichnung. So kann in Zukunft "bavarian beer" in Montreal gebraut und in München unter diesem Namen verkauft werden. Wie bezeichnet man eine solche Regelung? Ganz einfach als Etikettenschwindel. Zulasten der Verbraucher und zulasten der heimischen Brauereien, mit allen damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteilen.
Viele Unternehmen, die sich nachhaltigem und verantwortungsbewusstem Wirtschaften verschrieben haben, werden durch CETA und TTIP einem erhöhten Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Das gilt für solche in der Biobranche genauso wie für Anbieter öffentlicher Dienstleistungen, für Bäckereien und für Molkereien, und vor allem auch für viele Betriebe in der Landwirtschaft. Sie alle haben ihr Geschäftsmodell an hohen Sozial- und Umweltstandards ausgerichtet und werden durch die amerikanische und kanadische Konkurrenz bedroht.
Einer der Kernpunkte des CETA-Abkommens ist der sogenannte Investitionsschutz, mit dem Unternehmen und Investoren Schadenersatzforderungen gegenüber Staaten außerhalb der regulären Gerichtsbarkeit geltend machen können. Dieses Instrument ist nicht nur aus rechtsstaatlichen Gründen äußerst fragwürdig. Es führt zugleich zu einer massiven Diskriminierung von kleineren und mittleren Unternehmen, die nicht im Export nach Kanada tätig sind. Diese haben nicht die Möglichkeit, gegen ihre eigenen Staaten auf Schadenersatz zu klagen, wenn sie sich durch Gesetze benachteiligt fühlen. Und sie haben auch nicht die finanziellen Reserven, um solche Schiedsverfahren anzustrengen. Immerhin liegen die durchschnittlichen Verfahrenskosten bei etwa acht Millionen Euro.
Doch leider will unser Wirtschaftsminister davon nichts hören. Statt die Befürchtungen und Sorgen von Tausenden kleiner und mittlerer Betriebe ernst zu nehmen, beugt sich Sigmar Gabriel den Interessen von Großkonzernen und deren Lobbyverbänden.
Wenn CETA – wie vielfach behauptet wird – die Blaupause für TTIP abgeben soll, dann kann nur gelten: Wenn schon der Plan, also die Blaupause, in die falsche Richtung führt, dann kann auf dessen Grundlage kein stabiles und dauerhaftes Vertragsgebäude errichtet werden. Also kann nur gelten, werte Politiker in Stuttgart, Berlin und Brüssel: Zerreißen Sie diesen Plan und setzen Sie sich ein für eine gerechte, nachhaltige und zukunftsfähige Weltwirtschaftsordnung.
Gottfried Härle führt die Leutkircher Familienbrauerei Clemens Härle seit 30 Jahren. Er sitzt auch im Vorstand von <link http: www.unternehmensgruen.org external-link-new-window>UnternehmensGrün.
"Die Welt gehört nicht uns"
Von Jochen Cornelius-Bundschuh
Die Kirchen im Land lehnen CETA und TTIP ab – solange sie kein menschenwürdiges Leben für alle bringen. Sagt der evangelische Bischof.
Maude Barlow hat es gerade noch einmal gesagt: Das bisherige Handelssystem nützt wenigen und schadet vielen Menschen und der Natur. Wir brauchen mehr Mut für Gerechtigkeit. Wir brauchen einen Handel, der "der Menschheit dient, beginnend mit den Ärmsten und Schwächsten" (Papst Franziskus).
Es geht uns nicht in erster Linie um ein Nein. Unsere Vision geht weiter: Wir wollen Globalisierung gerechter gestalten! Sie muss eine "bessere gemeinsame Zukunft" für alle Menschen "ermöglichen und die Rechte der heutigen wie auch kommender Generationen beachten" (Empfehlung der EU- und US-amerikanischen Bischöfe zu den Verhandlungen über TTIP).
10 Kommentare verfügbar
Hartmut Hendrich
am 24.09.2016