Jahrzehntelang war der Feuerbacher Bahnhof durch das Fabrikgelände der Gebrüder Schoch von der eigentlichen Ortsmitte getrennt. Hartchrom Schoch, nach eigenen Angaben das führende Metallveredelungswerk Deutschlands, lebte wie viele Feuerbacher Betriebe von der Automobilindustrie. Kühlergrill, Scheinwerfereinfassungen, Stoßstangen, Radkappen, Markenemblem – alles musste in den 1950er-Jahren glitzern und glänzen. Was den schicken Karossen nicht anzusehen war: Bei der Produktion entstand auch ein unbeschreiblicher Dreck. Bereits 1975 wurden im Erdboden horrende Chromatwerte gemessen. Da Gerichtsprozesse ohne Erfolg blieben, ließ die Stadt das Grundwasser absaugen und filtern. Erst als Schoch 2004 Insolvenz anmeldete, bot sich die Chance, den Schandfleck zu beseitigen.
Eine bewusste Bodenpolitik stand am Beginn des rasanten Aufstiegs des Weinbauerndorfs zu einer der führenden Industriestädte Württembergs. Durch den Bau des Pragtunnels war Feuerbach seit 1846 mit Stuttgart verbunden. Der Bahnhof lag allerdings etwas entfernt vom heute noch recht beschaulichen Ortskern. Die Stadt kaufte in großem Maßstab Grundstücke links und rechts der Bahnlinie, um diese zu günstigen Preisen an Industriebetriebe weiterzugeben. 128 Unternehmen machten bis 1913 von diesem Angebot Gebrauch. Bosch war der größte Fisch, gefolgt von der Lederfabrik Roser. Die Einwohnerzahl stieg auf das Fünffache. 1907 wurde Feuerbach zur Stadt, 1933 von den Nationalsozialisten nach Stuttgart eingemeindet.
Weichende Industrie macht Platz für Neues
Große Areale sind in den letzten Jahren frei geworden: Roser meldete 1997 Konkurs an. Schoch wurde 2004 von einem Schweizer Konkurrenten übernommen. Zwei Jahre später war das Bauunternehmen Fahrion an der Reihe. Jenseits der Bahnlinie verkündete 2009 der Kühler- und Autoklimaanlagenhersteller Behr, ein wahrer Global Player, seine Stuttgarter Produktion aufgeben zu wollen. In den folgenden Jahren übernahm Mahle sukzessive die Mehrheit der Anteile.
Wo gebaut werden soll, sind die Investoren zur Stelle. Die Politik, vielfach in der Kritik, ist bestrebt, sich von ihrer besten Seite zu zeigen. Feuerbach hat bis heute mehr Arbeitsplätze als Wohnungen. Und eine aktive Bürgerschaft: 445 Mitglieder zählt der sehr rege Bürgerverein. Seit 2010 gibt es das Zukunftsforum, das unter anderem das "<link http: www.feuerbach.de historie begehbares-feuerbacher-gedaechtnis external-link-new-window>begehbare Feuerbacher Gedächtnis" entwickelt hat: Website und Broschüre mit Stelltafeln vor Ort zu mehr als 200 Baudenkmalen und anderweitig interessanten Gebäuden. Eine Arbeitsgruppe erarbeitet eigene Vorschläge zur städtebaulichen Entwicklung. Im Fall der Kreuzung Grazer und Stuttgarter Straße erteilte der Bezirksbeirat diesen freilich nach drei Jahren eine Absage.
Die Stadt Stuttgart steht in Feuerbach wie immer auch vor Interessenkonflikten: Eine "lebendige, attraktive Kulturszene" wünscht sich wohl jeder Abgeordnete. Auch Wohnungen stehen weit oben auf der Agenda, vor allem geförderter Wohnraum. Wenn es aber um den Stadtsäckel geht, kommen plötzlich ganz andere Gesichtspunkte ins Spiel.
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Roland Laich
am 09.10.2015Recherchen zu Walter Laich, einem Feuerbacher Besatzungssoldaten der Wehrmacht in Frankreich:
Die Geschichte von Walter Laich aus Feuerbach haben wir im Januar/Februar 2015 in einem…