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CDU gegen Informationsfreiheitsgesetz

Bürgerfragen unerwünscht

CDU gegen Informationsfreiheitsgesetz: Bürgerfragen unerwünscht
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Die Union will das Informationsfreiheitsgesetz kippen. Bürger:innen würden damit weniger Zugang zu amtlichen Informationen bekommen. Ein Angriff auf das Recht der Öffentlichkeit, hinter die Kulissen von Verwaltung und Politik zu schauen.

Von einem modernen Staat mag es sehr unterschiedliche Vorstellungen geben. In den laufenden Koalitionsverhandlungen brachte die Arbeitsgruppe 9 von Union und SPD ihre Absichten dazu zu Papier. Für die Union ist es demnach modern, die Freiheit der Information einzuschränken. So heißt es im Ergebnispapier: "Der Bundestag muss die Regierung und die Verwaltung effektiv kontrollieren können. Das Informationsfreiheitsgesetz in der bisherigen Form wollen wir hingegen abschaffen." Da die SPD das nicht mittragen will, sind die Parteispitzen in Sachen moderner Staat nochmals zum Nachsitzen verdonnert.

Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) wurde von Union und SPD unter Kanzlerin Angela Merkel 2006 für Bundesbehörden eingeführt. Es soll politische Entscheidungen und Verwaltungshandeln für Bürger:innen nachvollziehbarer machen. Jede:r kann Anfragen stellen und Einsicht in amtliche Dokumente nehmen. Das betrifft zum Beispiel Statistiken, Vermerke, Protokolle, Verträge oder Bescheide. Ausgeschlossen sind dagegen Dokumente, die als vertraulich gelten, Entwürfe oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Mittlerweile gelten diese Rechte auf Information in ähnlicher Form auch in allen Bundeländern außer Bayern und Niedersachsen.

Werkzeug für Kontrolle und Aufklärung

Allein über die Plattform FragDenStaat stellten Bürger:innen in den vergangenen 20 Jahren fast 300.000 Anfragen an Behörden. Zwar nutzten viele Behörden die zahlreichen Ausnahmeregeln und blieben Antworten schuldig. Manche nutzten das IFG jedoch, um ihr Handeln besser zu erklären. Nicht zuletzt wurden mit Hilfe des IFG auch einige Skandale aufgedeckt, darunter der Maskendeal des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU), die PKW-Maut von Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) oder Einzelheiten zum Cum-Ex-Skandal. In einigen Fällen mussten Gerichte die Herausgabe der Unterlagen erst durchsetzen.

Einer der Leidtragenden der Informationsfreiheit war – und ist – ausgerechnet der Verhandlungsführer der CDU in der Arbeitsgruppe zur Staatsmodernisierung, Philipp Amthor. Sein schneller politischer Aufstieg wurde 2021 jäh gebremst, als der Verdacht aufkam, er habe seine politische Position für wirtschaftliche Zwecke genutzt. Eine IFG-Anfrage zwang das Bundeswirtschaftsministerium, einen Brief Amthors offenzulegen. Auf dem Briefpapier des Deutschen Bundestags bat Amthor den damaligen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), sich mit dem Gründer des US-amerikanischen Start-Up-Unternehmens Augustus Intelligence zu treffen. Ein Unternehmen, von dem Amthor später Aktienoptionen und eine Direktorenstelle erhielt.

Wie für viele Journalist:innen gehört das IFG inzwischen auch für Kontext zum Handwerkszeug. Aber so, wie das Gesetz momentan gebaut ist, reicht ein Antrag allein nicht. Wer Informationen will, braucht Geduld, präzise Formulierungen und ein gutes Gespür für Verwaltungsprozesse. Informationen zu bekommen, bedeutet im IFG, sie sich zu erarbeiten.

Dokumente unterstützen journalistische Recherche

Zuletzt nutzte Kontext das Instrument, nachdem auch in anderen Medien und in der Politik die Kritik an einer "Hinterzimmerpolitik" im Karlsruher Rathaus lauter wurde. Die Stadtverwaltung verweigerte selbst dem Gemeinderat Einsicht in Dokumente und Verträge der Stadt mit dem Immobilieninvestor Christoph Gröner, der auch bei Kontext mit der Majolika-Manufaktur und stillstehenden Bauprojekten regelmäßig Schlagzeilen macht. Im Juli 2024 forderte Kontext daher unter Berufung auf das baden-württembergische IFG Einblick in Kalender, Protokolle, Vermerke, Gutachten und anderen Schriftwechsel an, die zwischen Stadtverwaltung und Immobilienkonzern ausgetauscht wurden.

Einige Tage nach Ablauf der einmonatigen Frist zur Offenlegung der Unterlagen erhielt Kontext die ersten Unterlagen. Drei Monate später schickte die Stadt auch Verträge und weitere Dokumente zu den Bauprojekten und zur Majolika. Ob dies wirklich alle Unterlagen waren, lässt sich nicht prüfen. Beim IFG brauchen Fragende auch Vertrauen.

Mit den Dokumenten konnten die Recherchen nochmals erhärtet und zu einer Chronik zusammengeführt werden. Dazu brachten sie auch Erhellendes über die Sichtweise der handelnden Personen auf die Karlsruher Medienlandschaft zutage. So warnte der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) in einer E-Mail Gröner, er solle gegenüber der Presse berücksichtigen, "dass diese weiter an der Geschichte strickt, dass Sie die Stadt mit öffentlich gemachten Äußerungen unter Druck setzen (wollen)". Gröner versuchte zu beruhigen, es werde "nichts Spektakuläres zu berichten geben", und er denke, "dass die BNN (Badische Neueste Nachrichten, die Red.) dabei ist, sollte uns nicht beunruhigen".

Gesetz mit vielen Hürden und einem Preis

Die Informationen hatten ihren Preis. Die Stadtverwaltung stellte Kontext für die Unterlagen 730 Euro in Rechnung. Der juristische Dienst begründete das mit zehn Stunden Aufwand – je 73 Euro pro Stunde. Die Stadt Karlsruhe gehört damit zu den teureren Pflastern der Informationsfreiheit. Bund und viele Länder deckeln die Gebühren bei 500 Euro pro Anfrage. In Baden-Württemberg fehlt eine klare Obergrenze. Die Kosten müssen sich am Gebührenrecht der informationspflichtigen Stelle richten. Für Kommunen gibt es keine Vorgabe. Sie können die Gebühren nach eigenem Ermessen festlegen.

Die Informationsfreiheitsgesetze bieten also schon jetzt viele Hürden: hohe Kosten, lange Wartezeit und das stete Ungleichgewicht zwischen der einzelnen fragestellenden Person oder Redaktion und großen Behörden, die auf den Informationen sitzen. Schon seit Langem fordern daher verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen eine Weiterentwicklung zu einem Transparenzgesetz und haben bereits einen eigenen Gesetzesentwurf vorgelegt. Kernelement: Die Bürger:innen sollen nicht mehr fragen müssen, sondern die Behörden veröffentlichen von sich aus die Informationen, die alle angehen und hinter politischen Entscheidungen stehen.

Angst vor Transparenz?

Die alte Bundesregierung hatte sich ein solches Transparenzgesetz bereits vorgenommen und wollte es eigentlich im November im Kabinett verabschieden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ließ den Entwurf lange liegen. Dann kam auch noch der Bruch der Ampel-Koalition dazwischen. Nach der Veröffentlichung der CDU-Pläne schalten zivilgesellschaftliche Gruppen jetzt auf Abwehrkampf um. In einer Petition fordern sie die SPD auf, "keine Koalition ohne Informationsfreiheit".

Wer das IFG abschaffen will, will offenbar weniger Offenheit und Bürgernähe, kritisiert die Journalist:innen-Vereinigung Netzwerk Recherche. Gerade angesichts der autokratischen Bestrebungen in einigen Teilen der Welt sei das der falsche Weg. "In Zeiten, in denen immer mehr Menschen den staatlichen Institutionen misstrauen, ist es ein gefährlicher Irrweg, demokratische Rechte beschneiden zu wollen und den Weg der Abschottung zu gehen."

Gegenüber dem Spiegel begründete Amthor die Idee zur Abschaffung des Gesetzes damit, dass die Informationsrechte teils weitergingen als die von Parlamentarier:innen. Das zeigte auch das Gröner-Beispiel aus Karlsruhe. Doch warum muss für die Lösung dieses Missstandes das Recht auf Information für die Öffentlichkeit beschnitten werden? Besser wäre es, das Recht von Stadt- und Gemeinderäten auf Informationen zu erweitern.

Natürlich darf in der Diskussion von konservativer Seite auch der Wunsch nach Bürokratieabbau nicht fehlen. Wer wünscht sich das nicht? Vom Kassenschlager im Wahlkampf der vergangenen Jahrzehnte ist der Abbau von Bürokratie in der realen Politik aber regelmäßig zum Ladenhüter geworden. Zumal mit dem Schlagwort auch regelmäßig der Abbau von Umweltauflagen, Sozialstandards oder eben Informationsfreiheit gefordert wird. Im Fall des IFG lässt sich der Staat seinen Aufwand derzeit ja auch noch von den Bürger:innen entlohnen.

Dass die koalitionäre Arbeitsgruppe von Amthor auf Drängen der CDU auch das Verbandsklagerecht kippen will, lässt Böses erwarten. Hier wird versucht, öffentliche Kontrolle – ein unbedingtes Muss in einer Demokratie – abzuschaffen. Den Christdemokrat:innen sind fragende Bürgerinnen und Bürger ganz offensichtlich lästig.

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4 Kommentare verfügbar

  • Cathrin
    vor 3 Wochen
    Antworten
    Ich denke ja immer noch die Politik hat eine Bringschuld was Informationen angeht. Von daher sollten alle Informationen für die Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Das geht ja mittlerweile auch ganz gut und barrierefrei - wenn es denn gewünscht sein sollte.

    Auch alle Geschäfte die mit Steuergeld…
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