Hans-Ulrich Rülke, Chef der FDP-Fraktion im Südwest-Landtag, kokettiert mit seinem Intelligenzquotienten: Der sei über der Grasnarbe, er könne eins und eins zusammenzählen. Und deshalb geht der 63-Jährige, der beim Stuttgarter Dreikönigstreffen auch FDP-Landesvorsitzender werden will, davon aus, dass sein Ex-Parteifreund, der Noch-Bundesverkehrsminister Volker Wissing, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vorab über die internen Planspiele für den Ausstieg aus der Ampel informiert hat. Und dann unterstellt er den beiden Blättern, die als erste über die sogenannten "D-Day-Papers" berichtet hatten, "Zeit" und "Süddeutsche Zeitung" (SZ), sie hätten ihre angeblichen Gesprächspartner:innen bloß erfunden. So weit, so sehr schlecht.
Es braucht keinen deutlich höheren Intelligenzquotienten als den Rülkeschen für die Erkenntnis, dass eine Menge nicht stimmen kann an den Erzählungen, die der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner und seine Getreuen der Öffentlichkeit seit Tagen in immer neuen Wendungen auftischen. Beispiel: Bei einer Pressekonferenz im Landtag war Rülke zur da schon sechs Tage alten Berichterstattung über die schrägen FDP-Papiere ausführlich befragt worden und stellte fest: "Nach übereinstimmenden Aussagen derjenigen, die noch Mitglied der FDP sind, gab es solche Papiere nicht." Jetzt müsste er einräumen, entweder mit den Falschen geredet zu haben oder beschwindelt worden zu sein. Sein Bundesvorsitzender räumt zwar die Existenz der Papiere ein – sie seien aber "kein Gegenstand der politischen Beratung von gewählten Mandatsträgern und Regierungsmitgliedern gewesen". Im selben Atemzug versucht er aber, die eigene Rolle zu verschleiern. Er habe sie "nicht zur Kenntnis genommen". So redet nur einer, der partout nicht schuld sein will.
Laut "Zeit" und SZ waren drei Papiere angefertigt worden. Lindner sagt in seinen vielen Interviews nie "Nein, das stimmt nicht", sondern er verspricht, sie dann offenzulegen, "wenn andere Parteien ihre Schubladen öffnen". Indirekt also eine Bestätigung. Wieso haben aber so viele Liberale im Netz, in Gesprächen oder sogar vor Journalist:innen seit Mitte November die Existenz von Dokumenten zur Strategie im vielbeschworenen "Herbst der Entscheidungen" geleugnet?
Interner Spott über das "Gerhardt-Papier"
Der frühere FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Gerhardt musste herhalten als Namensgeber für einen der Pläne, und zwar jenen, wonach die FDP bis zur regulären Bundestagswahl im Herbst 2025 in der Regierung bleiben sollte. Gerhardt ist im September gestorben und wurde aus diesem Anlass von Lindner als jemand gewürdigt, der mit Stil und Charakter "nicht mit dem Säbel, sondern mit dem Florett unermüdlich für unsere Grundüberzeugungen einer Gesellschaft in Freiheit und Eigenverantwortung stritt und kämpfte". Über das Papier, das seinen Namen trägt, wurde kurz später jedoch "nur gespottet", berichtet die "Zeit" so akribisch über ein "Strategietreffen" am 29. September in Potsdam, dass sich jeder Zweifel an ihrer Recherche verbietet.
6 Kommentare verfügbar
Gerald Wissler
am 05.12.2024Nicht für den Koalitionsbruch.
Sondern dafür, daß sie den rotgrünen Murks drei Jahre lang ermöglicht hat.