In vielen Städten und Gemeinden ist der Nachholbedarf seit Langem beträchtlich. Schon vor zwei Jahrzehnten verpflichtete die Kultusministerkonferenz Ganztagsschulen, ein Mittagessen zur Verfügung zu stellen – bemerkenswerterweise ohne irgendwelche Anforderungen in Sachen Qualität und Regionalität. Dabei könnte davon gerade die heimische Landwirtschaft profitieren. Bis heute bietet nach einer Untersuchung der Hochschule Niederrhein nur eine einzige von fünf Schulen zumindest "Mischküche" an, eine Kombination aus Fertigkomponenten mit frisch vor Ort zubereitetem Essen. Neun von zehn einschlägigen Kantinen wiesen erhebliche Mängel auf, vom stundenlangen Warmhalten der Speisen für Kinder und Jugendliche bis zum Abfallaufkommen.
Vor vielen Jahren hatte schon der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) laut über eine Mitfinanzierung gesunder Angebote durch das Land nachgedacht. Ein konkretes Konzept kam jedoch nie zustande und sein damaliger Generalsekretär Thomas Strobl (CDU) stattdessen auf die Idee, Eltern das Kindergeld zu kürzen, wenn es kein Frühstück gibt: "Wir wollen nicht länger akzeptieren, dass halbverhungerte Kinder in unseren Schulen sitzen", sagte dieser 2009 auf dem Landesparteitag in Friedrichshafen. Daraus wurde – natürlich – nichts. Aber immer wieder wird diskutiert über den Zusammenhang zwischen Lernerfolg und gesunder Ernährung, inzwischen "Brainfood".
Sarah Wiener will Mensa-Essen cool machen
Seit einem Jahrzehnt ist die Stadt Stuttgart hier aktiv. "Die Einkaufsdebatte war schon früher aufgeflammt", erinnern die "Stuttgarter Nachrichten" im Juli 2013. "Es bedurfte aber schon eines Winks mit dem Kochlöffel von Fritz Kuhn, damit das Thema nun richtig heiß wurde." Unter dem Grünen Oberbürgermeister wurde damals für Schulkantinen ein Bio-Anteil von 25 Prozent beschlossen. Eine von der Stadt ab 2019 in Auftrag gegebene Untersuchung zeigt durchaus überraschende Ergebnisse. So ist den Kindern besonders wichtig, ihre Plätze in der Mittagspause frei zu wählen und sich an der Salatbar selber zu bedienen. Nur vier Prozent der befragten Eltern sind der Meinung, dass Bio in Mensen "unnötig teuer" ist. Nur jedes zehnte Kind darf auf seiner Kita oder Schule bei den Speiseplänen mitbestimmen. Und als "cool" gilt das gemeinsame Essen nur bei 30 Prozent.
Auch da will Wiener gegensteuern. Sie hat mit der von ihrer Stiftung unterstützten Initiative bisher 1,5 Millionen Kinder erreicht, eine weitere halbe Million sollen hinzukommen in den nächsten zwei Jahren. 28.000 sogenannte Genussbotschafter:innen in 17.000 Einrichtungen, vor allem in Kitas und Schulen, haben eine einschlägige Weiterbildung absolviert. "Wer früh lernt, sich selbst eine gute und geschmackvolle Mahlzeit aus frischen und einfachen Zutaten zuzubereiten, lernt fürs Leben und ist nicht angewiesen auf Fertigprodukte und Fastfood", hofft die 61-jährige EU-Abgeordnete.
Wie bei vielen Themen, die Grüne konkret anpacken, ist der Gegenwind erheblich. Özdemir ruft ein weiteres Mal dazu auf, "raus aus dem Parteienstreit" zu kommen und endlich volkswirtschaftlich statt betriebswirtschaftlich zu denken bei der Frage, wie viel sich die Leute eine gesunde Ernährung kosten lassen sollen. Ralf Nentwich, der Backnanger Grünen-Abgeordnete im Landtag, führt gern die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ins Feld. Danach käme in Kitas und Schulen beispielsweise höchstens einmal pro Woche Fleisch auf den Tisch. Es sei aber nicht einfach, "mit vielfach belegten Fakten" durchzudringen im Gewirr von Meldungen und Falschmeldungen.
Politischer Gegenwind mit unlauteren Schlagzeilen
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