Mittendrin statt nur dabei. Dieser Tage empfängt Muhterem Aras (Grüne) Jugendgemeinderät:innen im Landtag. Der Dachverband wird 30 Jahre alt. Grün-Rot sorgte 2015 für eine entscheidende Aufwertung. Die Gemeindeordnung verlangt seither, dass Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, "die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligt werden müssen". Bei 20 bis 250 Unterschriften, je nach Größe der Kommune, ist ein entsprechendes Gremium einzurichten. Gerade wurde in Stuttgart neu gewählt. Bei dem Treffen mit Abgeordneten aller Fraktionen ist ein Thema immer wieder gesetzt: die Änderung des Kommunalwahlrechts.
"Eine nachvollziehbare zeitgemäße Begründung für eine Abkoppelung der Volljährigkeit und der unteren Altersgrenze für die Wählbarkeit liegt ohnehin nicht vor", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Dachverbands zu den Plänen der grün-schwarzen Landesregierung, das passive Wahlrecht herabzusetzen. Dass heißt: Bereits mit 16 Jahren, nicht erst mit 18 wie bisher, sollen sich Jugendliche als Gemeinde-, Ortschafts- und Kreisräte aufstellen lassen können. Auch die Bewerbung als Bürgermeister:in soll ab 18 und nicht erst ab 25 möglich sein. Reinhard Langer, der Vorsitzende des Dachverbands, begrüßt das. Aber: Er verlangt mehr Unterstützung und Begleitung.
Geteilt wird diese Forderung in einer der wenigen einschlägigen Studien zumindest zum aktiven Wahlrecht, also dem Recht zu wählen. Europaweit Vorreiter bei der Absenkung war Österreich, wo 16-Jährige sogar das nationale Parlament schon seit 2008 mitwählen können. "Ihrer eigenen politischen Reife steht die Altersgruppe skeptisch bis kritisch gegenüber, was im Sinne der Selbstreflexion positiv zu bewerten ist", heißt es in der Untersuchung zu den Folgen und den zu ziehenden Konsequenzen. Bei aller Vorsicht gegenüber Verallgemeinerungen lässt sich aus den Ergebnissen der Studie doch schließen, dass Jugendliche Politik und politischen Themen grundsätzlich ein großes Interesse entgegenbringen – mit einem entscheidenden Unterschied. Denn in der Gruppe der 16- bis 18-Jährigen hätten Schüler:innen "ein größeres Interesse an Politik, einen höheren Informationsstand" als bereits Erwerbstätige. Auch weil Jungwähler:innen die Schule als wichtigste Informationsquelle ansehen und ihr großes Vertrauen entgegenbringen.
Im Schulalltag bleibt kaum Zeit für Politik
In den Klassenzimmern in Baden-Württemberg allerdings blutet politischer Unterricht derzeit eher aus, als dass er gestärkt würde. Es gibt viel zu wenig Gemeinschaftskundeunterricht, der Leitfaden, mit dem Ex-Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) Demokratiebildung in allen Schularten verordnen wollte, verstaubt in vielen Regalen. Ähnliches gilt für viele einschlägige hochgelobte Materialien der Landeszentrale für politische Bildung (LpB). Praktiker:innen beklagen, dass im Alltag kaum Zeit für Zusätzliches bleibt. Würden in PISA und all den anderen Vergleichsstudien Kenntnisse zu Staatsaufbau, Aufgabenverteilung im Föderalismus oder zum Unterschied von Bundestag und Bundesregierung abgefragt, die Ergebnisse wären erschütternd.
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Jo Steiner
am 09.02.2023