Nach Timtschenkos Abgang tauchte der Konzern wiederholt im Kontext illegaler Geschäfte auf. Im Korruptions-Report 2020 erwähnte Transparency International ihn beispielhaft als korruptionsförderndes Unternehmen. 2019 musste Gunvor fast 94 Millionen Schweizer Franken Strafe bezahlen, weil es sich durch Bestechung Zugang zu Erdölmärkten in der Republik Kongo und der Elfenbeinküste verschafft hatte. Es war das erste Mal in der Schweiz, dass ein großes Handelsunternehmen wegen Korruption schuldig gesprochen wurde.
Keine rein weiße Weste hat auch die Vitol SA. Der Konzern, in Besitz des Managements und mit einem Umsatz von zuletzt 279 Milliarden Dollar nach eigenen Angaben weltgrößter unabhängiger Energiehändler, gilt als extrem verschwiegen. 2016 veröffentlichte "Bloomberg" ein aufschlussreiches Dossier: "Inside Vitol: Wie der weltgrößte Ölhändler Milliarden verdient".
Demnach zahlte Vitol 1995 dem Serben Zeljko Raznjatovic eine Million Dollar für die Hilfe in einem Geschäftsstreit. Der als "Arkan" bekannte Kriminelle und Milizenführer wurde 1997 vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Er wurde im Jahr 2000 ermordet, bevor sein Prozess begann.
Vitol wird über Briefkastenfirmen kontrolliert
Den größten Imageschaden erlitt Vitol 2007, als das Unternehmen dem Regime von Saddam Hussein rund 13 Millionen Dollar an "Zuschlägen" zahlte, um Öllieferungen im Rahmen des skandalumwitterten Oil-for-Food-Programms der Vereinten Nationen zu sichern. 2012 wurde Vitols Ansehen erneut erschüttert, nachdem das Unternehmen unter Umgehung von Sanktionen iranisches Heizöl gekauft hatte. Vitol, das das Geschäft über seine Tochtergesellschaft in Bahrain abwickelte, stritt ein Fehlverhalten ab.
Nach Recherchen von Bloomberg zahlte Vitol im Jahr 2013 dank Steuergutschriften überhaupt keine Steuern – bei einem Nettogewinn von 837 Millionen Dollar. Im Jahr 2015 lag sein globaler Steuersatz bei nur 14,1 Prozent. Obwohl Vitol seinen Sitz in Genf und Rotterdam hat, wird es von seinen Gesellschaftern über zwei in Luxemburg ansässige Briefkastenfirmen kontrolliert.
Nachdem sich herumsprach, welche Goldesel hinter den Kirchenmäusen im Gashandel stehen, blies Vizekanzler Habeck ein Proteststurm ins Gesicht. "Gasumlage bläht Gewinne der Konzerne auf", titelte "Focus". SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil rüffelte Habeck für "handwerkliche Fehler" – obwohl Genosse Bundeskanzler Olaf Scholz die Kabinettsentscheidung verantworte. Klingbeils mutmaßliches Motiv: die anstehende Landtagswahl in Niedersachsen, wo der amtierende SPD-Ministerpräsident Stephan Weil um seine Wiederwahl bangt. Prompt brach nach der Attacke der Umfragewert für die Grünen um drei Prozentpunkte ein (auf 17), während die SPD zwei hinzugewann.
Aufgrund des Aufschreis versprach Habeck, die Anspruchskriterien nachzuschärfen. So sollen nur Konzerne Geld bekommen, die keinen Gewinn vor Zinsen, Abschreibungen und Steuern machen und weder Dividenden noch Boni ausschütten. Zugleich beschloss die Ampel mit der Gasumlage, was jetzt zum Entlastungspaket drei gerechnet wird: die Mehrwertsteuer auf den gesamten Gasverbrauch von 19 auf sieben Prozent zu senken. Nach Berechnungen des Vergleichsportals Check 24 senkt dies die jährliche Mehrbelastung durch die Umlage für einen Vierpersonen-Haushalt (Jahresverbrauch 20.000 kWh) von ursprünglich 576 Euro auf 146 Euro. Im Vergleich zur kompletten Gasrechnung ist dies wenig: Für diese Verbrauchsmenge berechnet der günstigste Versorger Neukunden derzeit rund 8.000 Euro (brutto) – mehr als das Sechsfache wie vor einem Jahr.
In einer früheren Fassung des Textes haben wir geschrieben, Gunvor sei im Jahr 1997 gegründet worden. Das trifft nicht zu, es war das Jahr 2000. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen.
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