An Campact wird auch von den KommentatorInnen der "Schwäbischen Zeitung" Kritik geübt. Die Aktionen erhalten da das Attribut "schmutzig", eine "Kampagne mit G'schmäckle" sei das, und die Wahlempfehlung für den grünen Kandidaten wird als "eindeutig grenzüberschreitend" bezeichnet – mit der Begründung, dass sich der Verein als "parteipolitisch neutral" bezeichnet. "Wir behaupten nirgendwo, wir seien politisch neutral", entgegnet hierzu Ludewig: "Wir haben ja dezidierte politische Vorstellungen, zum Beispiel, dass wir für mehr Umweltschutz und mehr Demokratie sind." Die Kritik könne er aber insofern verstehen, dass so etwas ja nicht ständig passiere: "In Deutschland herrscht hier doch eine vornehme Zurückhaltung", sagt er und betont: "Wir sagen ja nicht: 'Wählt die oder die Partei!'. Sondern wir sagen: 'Hier gibt es eine Person, die finden wir problematisch im Hinblick darauf, was die Zukunft der Menschheit angeht, ob wir den Klimawandel in den Griff bekommen oder nicht'". Eindeutig sei: Wenn Bareiß nicht in den Bundestag gewählt werden würde, gäbe es einen Bremser weniger.
Campact hat den ersten Schritt gemacht, andere springen auf. Zum Beispiel das Klimabündnis Bodensee-Oberschwaben. Bei einer Wahlkampf-Veranstaltung in Sigmaringen protestieren etwa 15 AktivistInnen mit Trillerpfeiffen und halten ein großes Banner mit der Aufschrift "Stoppt Klimakiller Bareiß" nach oben. Bareiß wirkt auch hier nervös, dreht sich auf der kleinen Bühne am Ufer der Donau immer wieder nach hinten, schaut auf die andere Donauseite, wo die Protestierenden stehen. Kurz zuvor hat er in seiner Rede – wie zwei Tage später in Bad Saulgau – ebenfalls von 50 Prozent erneuerbaren Energien gesprochen, die Deutschland schon ins Stromnetz einspeisen würde.
Der kleine Haufen der Protestierenden ist überschaubar, aber über die Landkreisgrenzen vernetzt. Die Grünen aus dem Landkreis Sigmaringen sind dagegen bei Aktionen gegen Bareiß fast wie vom Erdboden verschluckt. Wahrscheinlich dazu beigetragen hat, dass der Kreisverband sich dagegen entschieden hat, die Kampagne von Campact zu unterstützen, um sich nicht angreifbar zu machen.
Auch Schwaben sind unzufrieden
Ortswechsel nach Sigmaringen-Laiz. Die "Schwäbische Zeitung" und die Landesanstalt für politische Bildung haben zur Podiumsdiskussion geladen. Johannes Kretschmann, der aussichtsreiche Gegenkandidat, hat es nicht weit und ist zu Fuß gekommen. Mit seinem Outfit könnte er im politischen Berlin für ein wenig Furore sorgen: Der 43-Jährige zeigt sich meist mit dunklem Anzug, Baskenmütze, Hemdkordel und Hohenzollernwappen am Revers. Auf seiner Internetseite begrüßt er mit "sei mir gegrüßt, Freund und Fremde". Beim Gespräch am Ende der Veranstaltung auf einer Parkbank wirkt Kretschmann, der für die Grünen bereits im Kreistag Sigmaringen sitzt, gelöst und in Plauderlaune. "Die Menschen begegnen mir sehr offen im Wahlkreis", sagt er.
Dass sein prominenter Nachname oft Türöffner ist, bestreitet er nicht, aber er gehe damit nicht hausieren. Der Einzug ins Parlament könnte so oder so klappen, da Kretschmann relativ weit vorne auf der Landesliste steht. Aber hat er auch bei den Erststimmen Chancen gegen seinen direkten Kandidaten Bareiß? Am Abend hat er sich auf der Bühne kämpferisch gezeigt, gerade bei Fragen zum Klimawandel und der Mobilität kann er vor heimischer Kulisse Punkten. "Ich glaube, es wird ganz knapp werden", sagt Kretschmann.
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Peter Viebahn
am 26.09.2021