Es wurde immer stiller in der Nürnberger Messehalle, als Markus Söder aus dem Netz einige dieser hasserfüllten Schmähungen und Drohungen vorlas ("Wir wollen dich öffentlich und mit Kopfschuss von hinten hinrichten"), die ihn vor allem wegen seiner Pandemiepolitik erreichen. Seine mit viel Applaus quittierte Rede-Passage gipfelte in einer Frontal-Attacke gegen die AfD, die in den Parlamenten offen mit den Querdenkern sympathisiere: "Sind sie Marionetten der Querdenker oder sind sie deren Puppenspieler?", fragte er. Wenn es die Partei nicht schaffe, sich von dieser Szene zu distanzieren, dann habe sie die sittliche Legitimierung für ihr Tun in den Parlamenten verloren.
Anders als in den Wahljahren 2016 und 2017 steht diesmal die Brandmauer gegen rechts in der Union ziemlich stabil. Kein Guido Wolf und keine Julia Klöckner, die meinen, der "Alternative für Deutschland" mit rechten Sprüchen in der Flüchtlingspolitik Stimmen abjagen zu können – und sie so doch nur groß gemacht haben. Und kein Armin Laschet, der im Endspurt seines NRW-Landtagswahlkampfs vom "netten Ausländerversteher" ("Die Zeit") zum Sprücheklopfer mutierte, um am rechten Rand zu punkten. In die jeweiligen Landesparlamente zog die AfD mit gut sieben bis – in Stuttgart – sogar 15 Prozent jeweils zum ersten Mal ein, um zu bleiben. Das wird am 26. September auch für die Bundestagswahlen gelten.
Früher war alles besser
Dabei hat die Partei der Höckes und Gaulands ernsthaft gar nichts zu bieten, um in der Klimakrise, zur Globalisierung, auf dem Weg aus der Pandemie, in der Sozial-, der Mobilitäts- oder der Finanzpolitik zu bestehen. Beim Spitzenkandidaten Tino Chrupalla reicht es nicht einmal für ein deutsches Gedicht. Wäre die Szene Satire, hätte sie herzhaften Beifall verdient: Ein Kinderreporter des ZDF-Magazins "logo" fragt den 46-jährigen Maler- und Lackierermeister aus dem östlichsten der sächsischen Wahlkreise nach den bildungspolitischen Vorstellungen seiner Partei, und Chrupalla verlangt, "dass wieder mehr deutsche Volkslieder, mehr deutsche Gedichte gelernt werden, dass wir unsere deutschen Dichter wieder mehr in den Schulen würdigen". Geistesgegenwärtig setzt der Junge nach: "Was ist denn eigentlich Ihr Lieblingsgedicht, Ihr deutsches Lieblingsgedicht?" Touché! "Pinsel", wie der Bundesvorsitzende in Anspielung auf seinen Beruf auch genannt wird, fällt keines ein. "Nicht mal der Erlkönig", twittert einer.
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R.Gunst
am 17.09.2021