Im Oktober 2015 besucht eine blonde Frau mit Pferdeschwanz die MedienvertreterInnen auf der Empore der Hohenberghalle in Horb. Der Zugang zum Innenraum und zu den Delegierten ist Kameraleuten oder JournalistInnen verwehrt worden auf diesem achten AfD-Landesparteitag. Die Überlinger Landtagskandidatin wirbt für sich, erntet Kopfschütteln, als sie berichtet, wie sie sich unflätig beschimpfen lassen muss im Straßenwahlkampf. Sie erzählt weltläufig von der Zeit in China und ihrer Doktorarbeit über das dortige Rentensystem, während unten ein Redner von der Überfremdung des Landes fabuliert. Und dann verspricht Alice Weidel, dafür zu sorgen, dass JournalistInnen doch nach unten in die Halle gelassen werden. Wenig später meldet die gebürtige Gütersloherin Vollzug, mit diesem selbstzufriedenen Lächeln im Gesicht.
Das Lächeln ist geblieben, oft maliziös und wie gefroren, die Weltläufigkeit der heute 41-Jährigen ist perdü. Inzwischen stehen andere Bilder für die Herzeige-Frau unter den vielen mittelalten und älteren weißen Männern: zum Beispiel der wenig souveräne Abgang im Herbst 2017 aus einer ZDF-Talk-Runde, das trotzige Aufstampfen beim Verlassen des Bundestags, als der Sozialdemokrat Johannes Kahrs Tacheles redet ("Rechtsradikale können spalten, sie können hassen, sie können an den Hass appellieren"), viele Talkshowauftritte. Zutage treten immer öfter rabiate Manieren und Weidels Kaltschnäuzigkeit, woran auch die Business-Hosenanzüge, Hemdblusen in Weiß oder Pastellblau nichts ändern, auch nicht ihre Schweizer Trend-Sneaker.
Strategie des Abperlens
Die kosten etwa jene Summe, von der ein Hartz-IV-Empfänger acht oder zehn Tage leben muss. Und stehen insofern in der langen Reihe der kleinen und großen Belege dafür, dass AfD-PolitikerInnen sich nicht fürchten müssen vor der eigenen Wählerschaft. Die ist mittlerweile so eisern treu, dass alles abperlt: die Spendenskandale, die Eklats in den Parlamenten, das betrügerische Manöver in Thüringen, die permanente Verschiebung von Maßstäben, die die AfD von anderen verlangt und selber verhöhnt. Erst am vergangenen Montag war Björn Höcke Stargast bei der 200. Dresdener Pegida-Demo.
Noch unter der Vorsitzenden Frauke Petry war 2016 ein Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst worden. Dessen wechselvolles Schicksal illustriert den Rechtsruck der Partei eindrucksvoll. "Der Bundeskonvent der Alternative für Deutschland beschließt in Konkretisierung seines Beschlusses vom 04. Juni 2016", heißt es auf der Info-Seite AfD-Kompakt vom 11. März 2017 "zur Ergänzung des Pegida-Auftritts-Verbots", dass AfD-Mitglieder "weder als Redner noch mit Parteisymbolen der Alternative für Deutschland bei Veranstaltungen der 'Thügida', 'Thügida und Wir lieben Sachsen e.V.' und der 'Freiheitlich Patriotischen Alternative' auftreten dürfen. Redeauftritte von Vertretern dieser Organisationen auf AfD-Veranstaltungen lehnen wir ab." Und im Februar 2018 nach einer Telefonkonferenz des Bundesvorstandes: "Solange Lutz Bachmann im Vorstand des 'PEGIDA Förderverein e.V.' vertreten ist, hält der Bundesvorstand der Alternative für Deutschland fest (…), dass AfD-Mitglieder nicht mit Parteisymbolen bei PEGIDA-Veranstaltungen auftreten sollen. Redeauftritte von PEGIDA-Vertretern und PEGIDA-Symbole auf AfD-Veranstaltungen lehnen wir ab."
Nur fünf Tage später ist alles anders: "Der Konvent stellt entsprechend der geltenden Gesetzes- und Rechtslage fest, dass es AfD-Vertretern möglich ist, bei Veranstaltungen von PEGIDA (Dresden) eigene Positionen öffentlich zu vertreten." Alice Weidel verteidigte den hurtigen Schwenk als "wohlüberlegt".
"Höchster Respekt" für Höcke
Inzwischen passiert bei der AfD allerdings fast nichts, was Frau Doktor Weidel nicht wortreich verteidigt. O-Ton beim Böblinger Landesparteitag am Wochenende zur Wahl von Thomas Kemmerich (FPD) zum Thüringer Ministerpräsidenten: "Was er geschafft hat, hat noch keiner vor ihm für die AfD geschafft. Dafür gebührt ihm der höchste Respekt." Damit gemeint ist Björn Höcke. 2017 wollte sie den "Flügel"-Gründer noch aus der Partei werfen, als Spitzenkandidatin im Bundestagswahlkampf hat sie das Ausschlussverfahren nicht nur ausdrücklich mitgetragen, sondern wollte es auch noch rasch "exekutieren, je schneller desto besser".
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