So schnell kann's gehen: Gerade mal 52 Jahre nach den Stonewall-Unruhen in New-York als Initialzündung der globalen Befreiungsbewegung von und für Schwule und Lesben, ganze 36 Jahre nach dem ersten Stuttgarter Christopher-Street-Day hat sich die CDU in Baden-Württemberg zum aktiven Einsatz für Akzeptanz und Gleichstellung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, intersexuellen und queeren Menschen bekannt. "Es gilt, die geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in allen Lebensbereichen sichtbarer zu machen und zu stärken, egal ob in der Stadt oder auf dem Land, in der Bildung oder in der Jugendarbeit, im Familienleben oder in der Arbeitswelt", heißt es im mit den Grünen geschlossenen Koalitionsvertrag für die kommenden fünf Jahre. Sogar im Bundesrat wolle Baden-Württemberg "eine starke Stimme für Vielfalt, Akzeptanz und gleiche Rechte sein".
Es sei bei den Koalitionsverhandlungen eine andere Kultur im Raum gewesen, berichten Grüne, die schon 2016 und auch diesmal dabei waren. Vor fünf Jahren hatten Teile der CDU noch heftig polemisiert, etwa gegen die Homo-Ehe, und andere zumindest den Kopf in den Sand gesteckt. Jedenfalls wurde damals noch im CDU-Wahlprogramm die gesellschaftspolitische Herausforderung von mehr Akzeptanz und Toleranz einfach negiert. Der erste Koalitionsvertrag mit dem Grünen versprach dann verschwiemelt, "die Maßnahmen aus dem Aktionsplan auf ihre Eignung und Wirksamkeit hin zu prüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln".
Diesmal ist alles anders, und das ist gut so. Sogar der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) sieht "die Regenbogenforderungen in wichtigen Punkten erfüllt". Weiter hießt es: "Wir wollen, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen als selbstverständlicher Teil gesellschaftlicher Normalität akzeptiert und anerkannt werden." Der LSVD will beobachten, "wie die Vorhaben genau inhaltlich ausgestaltet werden" und dies "immer wieder mit der Community rückkoppeln".
Ausgerechnet dank Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und der Uefa lassen sogar die ersten Einlassungen des neuen CDU-Fraktionschefs Manuel Hagel hoffen, den viele in der Rolle des neuen starken Mannes sehen. Der erst 33-Jährige, der sich gerne als Modernisierer präsentiert, hat jedenfalls kritisiert, wie sich der Europäische Fußballverband "ziemlich gaga vollkommen daneben verhalten hat", aber das Gute an der Diskussion über bunte Stadien und Manuel Neuers Kapitänsarmbinde sei, "dass wir darüber reden, wie Rassismus und Ausgrenzung keinen Platz hat".
Vor Kurzem noch ganz andere Töne
Neue Töne, die mit der Tatsache geschuldet sind, dass die Schwarzen unbedingt und um fast jeden Preis die Rückkehr auf die harten Oppositionsbänke im Stuttgarter Landtag vermeiden wollten. So gesehen heiligt der Zweck dann doch mal die Mittel. Denn würde die CDU nicht regieren, wäre die Gefahr groß, dass sie doch wieder in die alten Verhaltensmuster zurückfällt. Zu Zeiten der grün-roten Landesregierung boten führende CDU-PolitikerInnen einiges auf, um sich als vorgestrig zu präsentieren, immer in der Annahme, die LSBTTIQ-Community werde Grünen und SPD ein treuer Verbündeter sein und sei schon allein deshalb von Übel.
2 Kommentare verfügbar
Tanja Tasche
am 02.07.2021Diese Argumentationsweise ist so billig. Man kennt dies ja auch von Gegnern der…