Die Delegiertenkonferenz der baden-württembergischen Grünen am vergangenen Wochenende in Heidenheim ist vier Stunden alt, da bekommt dieser weiße Elefant im Congress Centrum endlich seinen Namen: Manuel Hagel. Fast alle Redner:innen arbeiten sich an dem 37-Jährigen ab, der eine Woche zuvor zum schwarzen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2026 gekürt worden ist. Aber erst Pascal Haggenmüller nennt ihn tatsächlich beim Namen. Der Grünen-Landesvorsitzende aus Karlsruhe wirbt für die Fortsetzung der Ära Kretschmann durch Cem Özdemir, "weil es die CDU nicht kann". Vor allem Hagel, der eine Politik für einen "Club der Normalen" machen wolle. Für das Amt eines Ministerpräsidenten sei das aber zu wenig, sagt Haggenmüller. Denn unterschieden werden müsse in Zeiten wie diesen zwischen ganz anderen Gruppen, "zwischen jenen, die mit zwei Beinen fest auf dem Boden unserer Verfassung stehen, und denen, die das nicht tun".
Ohne Namensnennung hatte sich zuvor sogar der amtierende Ministerpräsident mit seinem strebsamen Nachfolgeaspiranten befasst, über den er vor den Kulissen im Regierungsalltag kein böses Wort verliert. "Wir wollen zeigen, dass wir das Land in eine neue Epoche führen können", sagt Winfried Kretschmann, "denn die Herausforderungen sind gewaltig, wenn man sie ausbuchstabiert und nicht nur Überschriften produziert."
Die Spitzen sind meist von der subtileren Art, aber sitzen – genauso wie jene anlässlich Hagels Forderung nach Gründung einer zehnten Universität im Land, mit dem Schwerpunkt Künstliche Intelligenz. Zuerst reagierte der Regierungschef, der dem koalitionären Zusammenhalt so vieles unterordnet, verschnupft auf eine einschlägige Frage bei der allwöchentlichen Pressekonferenz am Dienstag der Vorwoche. Er arbeite mit der CDU noch fast ein Jahr zusammen, und der Kollege Hagel sei "da sehr wichtig". Deshalb denke er gar nicht daran, dessen Vorschläge, die sein gutes Recht seien, zu kommentieren. Aber dann senkte Kretschmann doch die Hellebarde: "Ich regiere seit 14 Jahren. Wenn ich es für sinnvoll gehalten hätte, eine zehnte Universität zu gründen, hätte ich es gemacht." Nur wenig später wird in seiner Fraktion genauso wie im Netz die Runde machen, dass auch Hagel die Idee, wäre sie wirklich ernst gemeint, schon längst hätte unterbreiten können. Immerhin ist er seit 2016 Landtagsabgeordneter und – damals als Generalsekretär – Teil der Führungsspitze, seit 2021 Fraktions- und seit 2023 Landesvorsitzender.
Die Ärmel könnten längst hochgekrempelt sein
Die CDU liegt derzeit in der Demoskopie für Baden-Württemberg satte elf Prozentpunkte vor den Grünen, so viel wie lange nicht mehr. Viele Reden in Heidenheim werfen ein Licht auf die grüne Strategie während der angestrebten Aufholjagd in den komplizierten nächsten Monaten. Flügelschlagen ist von gestern, Geschlossenheit steht über allem, jedenfalls gegenwärtig, weil die inhaltlichen Diskussionen über das Wahlprogramm 2026 erst so richtig starten. Gelingen soll ein Spagat zwischen dem Werben mit dem in 14 Jahren Regierungsarbeit Erreichten und dem Blick in die Zukunft. Der frühere Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand sagt es auf dem Parteitag so: "Lassen wir die Ärmel aufgekrempelt."
Wieder eine Anspielung auf Hagel, den der Psychologe Hildenbrand gut kennt. Die beiden sind gleich alt, bildeten während der Koalitionsverhandlungen 2021 ein wichtiges Gespann, um auf Spaziergängen das Wichtige zu bereden. In Heidenheim nennt Hildenbrand Hagels Namen ebenso wenig, weil ja die meisten im Saal den Gemeinten und dessen Lieblingssprüche kennen. Für "gutes Schaffen" verlangt der CDU-Spitzenkandidat nicht nur von den Seinen, sondern von den Menschen im Land insgesamt inzwischen regelmäßig "die Ärmel hochzukrempeln". Jetzt beginnen "unser Aufbruch, unsere Mission, unser Auftrag für dieses Land", verkündet der Ehinger gern unter dem Jubel der Zuhörerschaft. Dass er damit die Frage aufwirft, mit welchem Verständnis seine Partei eigentlich seit 2016 in der Regierung unterwegs war, scheint ihn und seine Beraterriege nicht zu stören. Er sagt ja auch nie, er wolle das Erbe der ganzen grün-schwarzen Ära übernehmen, sondern lässt dabei immer nur den Namen Kretschmann fallen.
2 Kommentare verfügbar
Verhagelt
vor 16 Stunden