Auf die Frage, ob es sich um ein Dumpingangebot gehandelt habe, antwortet Ingo Rust, der frühere Staatssekretär und seit 2015 als Esslinger Bürgermeister für den ÖPNV zuständig: "Nein, das damalige Angebot der Firma Rexer enthielt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Auskömmlichkeit der angebotenen Preise fehlen könnte." Die drei ersten Bieter seien nah beieinander gelegen, "zwischen dem besten und dem zweitbesten Angebot lag der Abstand sogar unter drei Prozent."
"Ob die Insolvenz der Firma Rexer mit den Esslinger Verkehren zusammenhängt", so Rust, "lässt sich aus unserer Sicht nicht sagen, zumal sie in mehreren Landkreisen auch zum Teil eigenwirtschaftlich Busverkehre betreibt." Allerdings gab es von Anfang an Probleme. Vereinzelt kam es zu Verspätungen und Ausfällen. Fahrer mussten eilends aus Osteuropa angeworben werden, manche sprachen kaum Deutsch. "In der Ausschreibung wurden fundierte Deutschkenntnisse vorgegeben", beteuert Rust, "in der Praxis aber leider nicht eingehalten." Schließlich richtete Rexer eigene Sprachkurse mit externen Lehrern ein.
Vom Problem zur Rochade
Mit solchen Erfahrungen ist Esslingen keineswegs allein. Im 6.000-Einwohner-Ort Steinenbronn brachte der Leiter des Ordnungsamts Simon Römmich Ende 2018 jede Woche Stunden damit zu, Fahrgastbeschwerden zu bearbeiten. Der Busverkehr im Schönbuch war nach Ausschreibung von einer Bahn-Tochter an eine andere gegangen, die Friedrich-Müller-Omnibus GmbH (FMO) aus Schwäbisch Hall. FahrerInnen sprachen kaum Deutsch. Der Fahrplan wurde nicht eingehalten. SchülerInnen warteten an der Haltestelle und der Bus fuhr vorbei. Auch in Backnang hatte FMO ähnliche Probleme.
In Schorndorf gewann der langjährige Betreiber des Stadtbusverkehrs, das Unternehmen Knauss, zwar die Ausschreibung, musste dann aber zur selben Zeit wie Rexer Insolvenz anmelden. Seither fährt dort Fischle aus Esslingen. Die beiden anderen früheren Betreiber der Esslinger Stadtlinien, Schlienz Omnibus und Schefenacker, haben kapituliert. Schlienz Tours, der andere Teil des seit 2010 geteilten Unternehmens, hat dagegen seit 2016 mehrere Ausschreibungen gewonnen, unter anderem für die Esslinger Relex-Expressbuslinien.
Was ist damit gewonnen, wenn eine Bahntochter die andere unterbietet, wenn ein Unternehmen aus Calw den bisherigen Betreiber aus Esslingen vertreibt, der dafür in Schorndorf fährt? Die Kommune oder der Landkreis hat den Preis gedrückt. Bisher konnten die lokalen Busunternehmer frei mit den Kommunen verhandeln und dabei auch gewisse Vorteile herausschlagen, auch für ihre MitarbeiterInnen. Das ist jetzt vorbei.
Der Betriebshof ist weit weg, ein Betriebsrat fehlt
Aber einem ortsfremden Unternehmen fehlt vor Ort der Betriebshof. Wenn die Werkstatt weit weg ist oder Reparaturen extern vergeben werden müssen, kann es kaum verwundern, wenn die Fahrgastinformation bei einem Problem des Bordcomputers einfach blind bleibt und wochenlang nicht repariert wird. Die Qualität des Busverkehrs leidet. Die Anfangsschwierigkeiten in Esslingen oder im Schönbuch sind nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass eine angemessene Vorbereitungszeit zum Einlernen der neuen FahrerInnen nicht einkalkuliert wurde.
Die Hälfte der Kosten eines Verkehrsbetriebs sind Personalkosten, sagt der Verdi-Experte Andreas Schackert. Zwar gilt prinzipiell in Baden-Württemberg ein Manteltarifvertrag mit dem Bundesverband deutscher Omnibusunternehmer (BDO). Aber nicht alle Busunternehmen sind Mitglied im BDO, und nicht überall gibt es einen Betriebsrat. Wenn in der Ausschreibung steht, dass nach Tarif bezahlt werden soll, nützt das nur, wenn es auch kontrolliert wird.
1 Kommentar verfügbar
Regina Rößler-Prelle
am 27.01.2021Noch schöner wäre es, wenn die Stadt Esslingen ihren Busfahrplan auf den S-Bahn Fahrplan abstimmen würde, und jede Menge Pendler nicht regelmäßig bis zu 25 Minuten auf den AnschlussBus am Esslinger Bahnhof warten müssten.
Oder aus diesem Grund…