Assanges "Verbrechen" in den USA? Er hat bekanntlich Chelsea Manning, der mutigen US-Soldatin und Whistleblowerin geholfen, Verbrechen des US-Militärs in Afghanistan und Irak an die Öffentlichkeit zu bringen. Julian Assange ist der Gründer von "Wikileaks", der Plattform, die Dokumente über Skandale und Verbrechen veröffentlicht, die von Regierungen, Militärs und Unternehmen gerne verschwiegen und deshalb zur Geheimsache erklärt werden.
Und sein "Verbrechen" in Großbritannien? Julian Assange ist nach seiner ersten Inhaftierung von britischen Gerichten 2012 gegen Kaution vorläufig auf freien Fuß gesetzt worden und hat sich dieser großartigen Gerichtsbarkeit, "shame on him", durch Flucht in die Botschaft Ecuadors entzogen. Damals ging es um seine Auslieferung an Schweden, das ihn wegen möglicher Verstöße gegen das Sexualstrafrecht haben wollte. Assange befürchtete keineswegs grundlos, Schweden wolle ihn in Wirklichkeit an die USA "durchliefern". Schweden hat mittlerweile die Vorwürfe und den Auslieferungsantrag längt zurückgezogen.
Großbritannien hat Assange wegen der Verletzung der Kautionsbestimmungen 2019 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Das hat er abgesessen – in dem heute mit Covid 19 verseuchten Hochsicherheitsgefängnis für Schwerstverbrecher Belmarsh. In Einzelhaft. Seine Gesundheit ist zerrüttet. Besuch und Kontakte werden kaum genehmigt. Ohne Verurteilung wird er weiter als gefährlicher Schwerstverbrecher festgehalten und behandelt. Soviel zur hochgelobten britischen Justiz.
Das alles verstößt gegen grundlegende Rechtsstaatsgebote. Und gegen viele weitere Regeln des britischen, europäischen und internationalen Rechts, wie Nils Melzer, der UN-Beauftragte für Menschenrechte, längst rügte. Die Regierung und Justiz Großbritanniens stören das ganz offensichtlich nicht. Die der USA schon gar nicht. Und auch Europa schweigt in elender Jämmerlichkeit, genauso wie die deutsche Bundesregierung. Auch das ist ein Skandal. Hier wird ein Mensch zugrunde gerichtet. Deshalb unterstütze ich die Forderung, Julian Assange sofort frei zu lassen.
Skandalöser Umgang mit Assange
Das alles tritt auch unsere "westlichen Werte" der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenwürde mit Füssen. Wenn es um China geht, um Iran, um Russland, um die Türkei oder um die anderen Staaten, deren Regierungen wir westliche Rechtsstaaten nicht vertrauen und deren Justiz wir mit Grund Unabhängigkeit und Rechtsstaatlichkeit absprechen, beklagen wir das mit Recht, gelegentlich sogar lautstark.
Warum nicht gegenüber Großbritannien? Warum das geradezu schreiende Schweigen der EU und ihrer Mitgliedstaaten beim skandalösen Umgang mit Julian Assange?
Ist es nur, wie sicherlich auch bei Edward Snowden, aus Feigheit gegenüber dem Freund USA? Trotz Trump? Kein EU-Land, auch nicht Deutschland, hat Snowden Asyl gewährt! Dieser Skandal wird zwar heute auch bei uns kaum mehr öffentlich kritisiert, aber er bleibt – und gehört genau in diese Kategorie.
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Joachim Petrick
am 28.12.2020