Das Megathema Corona wird die Zeit bis zur Landtagswahl am 14. März mitbestimmen, also liegt mehr als nur ein stetiger Hauch von Krise über dem Land. Obendrein ist 2021 ein Superwahljahr, das der Urnengang zwischen Main und Bodensee mit einläutet. Folglich schaut die ganze Republik auf den Südwesten und will wissen, wie es um die Stabilität der Grünen bestellt ist in derart nervösen Zeiten. Und was dran ist an dem Insidergeraune über die fast schon Liebesheirat mit den Schwarzen nach der Bundestagswahl, selbst wenn Parteichef Robert Habeck eine ganz andere Bundesregierung vorzieht. Eben erst hat er bei "Markus Lanz" eine Koalition mit der SPD als Wunsch-Variante gerühmt, fast enthusiastisch, wäre da nicht der kleine Schönheitsfehler, dass es aktuell ganz und gar nicht reicht für Grün-Rot mit den Sozialdemokraten. An der Präferenz ändere das aber nichts, sagt der 51-Jährige, auch wenn's der erstaunte Moderator kaum glauben mag.
Für Baden-Württemberg gilt eine andere klare Ansage, die aber weitgehend in Vergessenheit geraten ist: Schon vor den förmlichen Koalitionsverhandlungen im März 2016 hatte CDU-Landeschef Thomas Strobl den Grünen mit beinahe brutaler Deutlichkeit klargemacht, es werde aber bei diesem einen Mal bleiben. 2021 also werde man keinesfalls gemeinsam Wahlkampf machen, die Fortsetzung dieses Bündnisses, wenn es denn je zustande komme, werde nicht angestrebt. Es kam zustande, und es ist spätestens seit Kretschmanns Rede vor gut einem Jahr auf dem Landesparteitag in Sindelfingen klar, dass auch die Grünen an einer Wiederauflage nicht interessiert sind. Drei Monate vor dem nächsten Urnengang haben die Parteivorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand dies jetzt öffentlich gemacht.
Die grüne Basis freut's
Im Netz, unter einschlägigen Hashtags oder auf Facebook, applaudiert die grüne Basis nahezu ohne Ausnahme. Der Karlsruher Landtagsabgeordnete Alex Salomon kann erklären, warum. Die CDU habe sich einfach in zentralen Fragen nicht öffnen wollen. Den Begriff vom Abwehrkampf nimmt auch Hildenbrand in den Mund: In der Bildungspolitik mussten die Gemeinschafts- und die Ganztagsschulen verteidigt werden, weil zu viele Schwarze trotz aller wissenschaftlicher Erkenntnisse und trotz aller lauen Absichtserklärungen aus den Reihen des schwarzen Juniorpartners eher wenig davon wissen wollen. Als weitere Reibungsflächen werden Mobilitäts- und Frauenpolitik genannt sowie Tierversuche an Hochschulen. Auch die Erfahrung, dass und wie Peter Hauk (CDU), Minister für den ländlichen Raum, in Sachen Schlachthöfe "mühsam auf Linie gebracht werden muss", ärgert nicht nur die FachpolitikerInnen bei den Grünen.
Vor allem ist aber da der Umwelt- und Klimaschutz. Der Regierungschef selbst musste seine alte Einschätzung über Bord werfen, zentrale grüne Themen seien so sehr in der Mitte der Gesellschaft angekommen, dass ein Grundsatzstreit darüber nicht mehr geführt werden müsse. Musste er doch, und das fast die ganze fünfjährige Legislaturperiode lang. Denn die Idee, den Klimaschutz vor die Klammer zu ziehen als "Menschheitsfrage" (Kretschmann), ging nicht auf. Von der CDU als "Klotz am Bein" spricht Hildenbrand mit entwaffnender Offenheit. Der scheidende Umweltminister Franz Untersteller, der in vielen früheren Jahren kein Hehl machte aus seiner Vorliebe für einen Koalitionspartner CDU, mochte vor ein paar Wochen und angesichts der so hartnäckig anhaltenden Widerstände hinter verschlossenen Türen nicht mehr an sich halten. "Nie wieder CDU!", zog er in der Landtagsfraktion eine bittere Bilanz.
Analysiert sind auch die Unterschiede zu Grün-Rot: Die fünf Jahre Zusammenarbeit sind davon geprägt gewesen, dass beide Seiten, vor allem Sozialdemokraten wie beispielsweise Fraktionschef Claus Schmiedel, eifersüchtig darüber wachten, dass gemeinsam errungene Erfolge vorrangig dem eigenen Konto gutgeschrieben wurden. Und in der Regierungszeit Kretschmann II ging es gerade der CDU vorrangig darum, ihren Markenkern zu schützen und herauszustellen. Verschärfungen des Polizeigesetzes weit über den Rat von Verfassungsjuristen hinaus wurden gegengerechnet mit dringend notwendigen Maßnahmen im Kampf gegen die Erderwärmung, lange überfällige Reformen in der Bildungspolitik, wie das anderswo längst übliche längere gemeinsame Lernen auf unterschiedlichen Niveaustufen, wurden kleingeredet oder diskreditiert.
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Jörg Rupp
am 17.12.2020