Der Rechnungshof Baden-Württemberg mit Sitz in Karlsruhe nimmt qua Landesverfassung "die unabhängige staatliche Finanzkontrolle in Baden-Württemberg wahr". Er kann selber entscheiden, wen oder was er prüft, er gibt Stellungnahmen ab und versteht sich "als Anwalt der Steuerzahler, da sämtliche Prüfungen und Beratungsleistungen letztlich dazu dienen, die öffentlichen Gelder – also die Steuergelder des Bürgers – zielgerichtet und sparsam einzusetzen". Eben da wird’s kompliziert. Die Frage ist, nach welchen Maßstäben solche anwaltlichen Aufgaben bestimmt und wahrgenommen werden. Nach den neoliberalen Glaubenssätzen, die jahrelang Debatte und politische Praxis dominiert haben? Und wie wäre leidlicher gesellschaftlicher Konsens darüber zu erzielen, wo Staatsknete "zielgerichtet und sparsam" helfen kann, noch rechtzeitig die fatalen Folgen des verharmlosend sogenannten Klimawandels zu vermeiden?
Fragen über Fragen. Eine erste Antwort gibt Günther Benz in einem Schreiben an den Finanzausschuss des Landtags zur Bewertung der Corona-Milliarden, die die grün-schwarze Landesregierung gerade aufnimmt zur Abfederung der Krisenfolgen. Benz, viele Jahre im Dienste CDU-geführter Ministerien, ehe er Rechnungshofpräsident wurde, nennt es "generationengerecht", die Gelder schneller zurückzuzahlen als in den von der Landesregierung in Auge gefassten 25 Jahren. Die Begründung bleibt er schuldig, weil es keine gibt.
FDP und SPD glauben noch dran
Stattdessen zeigt die Diskussion um die Pandemiehilfen, wie wenig alte Denkmuster taugen in der neuen Zeit. Ein Teil der zugegebenermaßen unvorstellbar vielen Millionen Euro, mit denen die Gesellschaft einigermaßen ordentlich durch die Krise kommen soll, sind noch gar nicht ausgegeben, da wollen die Superschlauen schon wissen, wo gespart werden soll, wenn es ans Zurückzahlen der Kredite geht. Oder sie diskreditieren zumindest das Engagement des Staats. "Sie können doch nicht glauben, unbegrenzt alles an Verschuldung aufnehmen zu können nur mit der Begründung, es liege eine Naturkatastrophe vor", meinte SPD-Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch der Koalition in Stammbruch schreiben zu müssen, den Bruch der Verfassung inklusive.
Immer vorne mit dabei natürlich die FDP. Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke droht mit dem Rechtsweg. Und er unterstellt Kretschmanns Kabinett, es denke überhaupt nicht ernsthaft ans Schuldenabtragen. Für diesen gewagten Verdacht schlägt Amateurhistoriker Rülke sogar den Bogen zu den Krisen von 1993 und 2008/2009: Nie seien Schulden "wirklich nachhaltig" zurückgeführt worden, behauptet er. Dabei wächst selbst in wirtschaftsnahen Kreisen die Zahl derer, die Sparen – das sogenannte Maßhalten – in Frage stellen.
2 Kommentare verfügbar
Lena Maurer
am 08.10.2020Es gibt genug privates Vermögen. Warum sollten erneut die künftigen Generationen die Rechnungen für heutige Ausgaben bezahlen?
Die Autorin schreibt, dass diese schließlich davon profitierten...
das ist m. E. Nach ein bedrückend plumpes…