"Der Klimawandel ist eine noch größere Herausforderung als die deutsche Einheit", sagt der renommierte Würzburger Wirtschaftswissenschaftler, "und es kann doch nicht wahr sein, dass wir in 30 Jahren zu unseren Kindern sagen: Tut uns leid, die Welt ist kaputt, aber wir haben keine Schulden." Im Stuttgarter Theaterhaus, bei der Diskussion im "Neuen Montagskreis" – der 65. seiner Art übrigens –, hat Peter Bofinger das Publikum fast geschlossen auf seiner Seite. Und das, obwohl der gebürtige Pforzheimer der Hundertschaft Interessierter viel zumutet bei seiner akademischen Philippika gegen die Ideologen des Sparens um jeden Preis.
Wie war das gleich mit Zähler und Nenner? Der erste steht oben, der zweite steht unten. Es geht um die Staatsverschuldung, dividiert durch das nominale Bruttoinlandsprodukt. Heraus kommt die Staatsschuldenquote. Die bilde, sagt der Professor, das Verhältnis des Schuldenstands zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft ab. Und: "Die anderen haben’s leichter. Die sagen einfach: Der Staat darf keine Schulden machen. Das versteht jeder." Das einfache Argument schlage leider das komplexere.
Harte Bandagen ist er gewöhnt
Die anderen nicht nur in seiner Zunft, sind die, "die den Staat nicht mögen und ihn in Schranken halten wollen im Glauben an den Markt". Bofinger kennt sie nur zu gut. Von 2004 bis 2019 war er Wirtschaftsweiser, und damit der bisher längstgediente. Oder, wie die Funktion offiziell heißt: "Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung." 52 Mal hat er in dieser Zeit als ökonomischer Berater ziemlich unterschiedlicher Bundesregierungen seine abweichende Meinung zu Protokoll gegeben. Von Hartz IV bis zur Steuerpolitik, von der Agenda 2020 bis zur Schuldenbremse. Harte Bandagen ist Bofinger gewöhnt. 2017, als er unter dem Eindruck des Dieselskandals einmal mehr nach schärferen staatlichen Kontrolle rief, warfen ihm die anderen vier Ratsmitglieder in einem gemeinsamen Aufsatz in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eine ganz unpassende Vorliebe für Eingriffe des Staates ins Wirtschaftsleben vor.
1 Kommentar verfügbar
Klaus Zerkowski
am 08.03.2020Aber wenn die Notenbanken die Wirtschaft und die Aktienkurse stützen müssen, verstummen die…