Woran merkt man das?
Die ganze Debatte um Mali zeigt, dass die Auslandseinsätze keine Grenzen mehr haben. Man weiß gar nicht, wo es aufhört. Das ist jetzt der flächenmäßig größte Einsatz der Bundeswehr: Mali. Burkina Faso, Tschad. Mit hereingenommen worden ist auch das Engagement in Niger. Das war bis vor kurzem gar nicht mandatiert durch den Bundestag. Das ist übrigens einer der Punkte, an dem das Kontrollrecht des Parlaments Stück für Stück ausgehöhlt wird.
An welchen Stellen wird das deutlich?
Zum Beispiel werden einsatzähnliche Verpflichtungen wie in Litauen nicht vom Bundestag entschieden. Es wird gesagt, dass das eine Hilfe innerhalb der Nato sei. So wird das Kontrollrecht des Bundestags verhindert. Der Einsatz von Spezialkräften ist nicht extra mandatiert. Plötzlich tauchen Kampfschwimmer in Mali auf. Auch das KSK, das Kommando Spezialkräfte, ist seit Jahren in Afghanistan aktiv. Selbst bei meinem Besuch in Afghanistan ist nicht klar geworden, was die dort genau machen.
Das KSK ist eher wegen rechtsnationalistischen Umtrieben öffentlich in Erscheinung getreten.
Ja, wenn man eine kampforientierte Elite aufbaut, zieht man auch Rechte an. Das finden die toll. Deshalb ist es nicht überraschend, dass auch in höheren Rängen Rechte sind. Das läuft aus dem Ruder, nun merkt man, wie viele es sind. Die Hinweise von uns, dass man solche Menschen anlockt, sind jahrelang abgetan worden. Jetzt hat man ein ganzes Nest von Neonazis und Rechten entdeckt.
Und was wird dagegen getan?
Da ist richtig Sprengstoff drin. Um das zu lösen, müsste man die KSK-Truppe auflösen. Man versucht es nun mit einem neuen Gesetz, das erlaubt, auch Ältere loszuwerden, was bisher nicht möglich war. Aber dadurch wird das strukturelle Problem nicht gelöst.
Welchen Feind hat die Bundeswehr denn im Visier?
Landes- und Bündnisverteidigung sind eindeutig gegen Russland gerichtet. Viele Manöver werden so gemacht. Defender 2020 war symptomatisch dafür, Das Szenario ist eindeutig, Die offizielle Begründung lautet, dass man Russland seit Annektierung der Krim nicht mehr trauen könne. Aber so etwas wie auf der Krim, was eindeutig völkerrechtswidrig war, wird in den baltischen Staaten nicht passieren.
Das scheint auch so zu sein, wenn Donald Trump wieder ein internationales Abkommen kündigt, wie jetzt den Open-Skies-Vertrag.
Die USA kündigen ein internationales Abkommen nach dem anderen. Der Open-Skies-Vertrag war eine vertrauensbildende Maßnahme. Im Beisein des Militärs des anderen Landes konnte man dessen Territorium überfliegen. Die Bundesregierung reagiert wie immer und bedauert den Vorgang, hängt sich aber nicht weiter rein. Man könnte sagen: Wir weiten Open Skies aus. Stattdessen beschränkt man sich auf eine Protestnote.
Wie ist das mit den Rüstungsexporten?
Der gesamte Bereich wird weiter zunehmen. Sämtliche Projekte, die beschafft werden, sind auch für den Export geplant. Und die eigenen Regeln werden nicht eingehalten, dass keine Kriegs- und Krisengebiete beliefert werden. Je mehr beschafft wird, umso mehr wird exportiert. Bisher hat die jetzige Bundesregierung jegliche Rekorde gebrochen. Die Corona-Pandemie wirkt sich auf die Berechnung der Militärausgaben aus. Denn mit dem Rückgang des Bruttoinlandprodukts wird prozentual der Anteil der Verteidigungsausgaben daran größer. So könnte skurrilerweise das Zwei-Prozentziel durchaus noch erreicht werden.
Wie stehen Sie beim Thema Rüstung zu den Grünen? Agnieszka Brugger fordert ja auch den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland.
Die Erfahrung sagt, dass Grüne fast alle Entscheidungen im Militärbereich mitgetragen haben, von Rüstungsprojekten bis Auslandseinsätzen, nur einzelne Spitzen werden kritisiert. Notwendig sind hier klare Brüche mit der NATO- und EU-Militärunlogik, dazu sind Grüne aber nicht bereit. Insofern ist Abrüstungsdruck von links notwendig, auch auf die Grünen, nicht nur auf die SPD und die weiter rechts stehenden Parteien.
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Mari Nu
am 16.06.2020"(...) An „Augustus Intelligence“ sind führende Mitglieder der deutschen Staats- und Wirtschaftselite beteiligt. Darunter der bekannte Wirtschaftsberater Roland Berger sowie der ehemalige Verteidigungsminister Guttenberg. Dazu…