Auch andere Regierungsmitglieder sind vorgeprescht, darunter Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, die Hoteliers und Messeveranstalter beschleunigt wieder an den Start gehen lassen will. Ein Arbeitspapier ist den Medien zugespielt worden. Kretschmann kritisiert die entstandene Verwirrung: "Die Tinte ist noch nicht trocken, schon ist es bei den Redaktionen, ich werde nie verstehen, was das für einen Sinn macht." CDU-TaktikerInnen könnten's ihm erklären. Denn jetzt ist er es wieder, der öffentlich erklären muss, dass es für die Wohlfühlbereiche Feste, Hochzeiten noch gar keine Beschlussgrundlage gibt. Der auch für den Tourismus zuständige Justizminister Guido Wolf unterstreicht sein Engagement sogar vor Ort, zeigt am Montag dieser Woche im Stuttgarter "Paulaner", wie Gastronomie mit Abstand funktioniert. 20.000 Plakate hat sein Haus drucken lassen mit der Botschaft: "Endlich wieder gemeinsam schmecken – Gib acht, damit das so bleibt." Geld gibt's ebenfalls: 3.000 Euro für jedes Lokal und 2.000 Euro für jede festangestellte MitarbeiterIn aus dem Landesetat.
Überhaupt ist die Welt verkehrt. Viele in der CDU, die sonst so gern ihre Kompetenz für eine solide, sprich: sparsame Finanzpolitik herausstreicht, würden gern einen Rettungsschirm nach dem anderen aufspannen. Nicht zuletzt, um angesichts des Wind-Fall-Profits der zuständigen grünen Ministerin Edith Sitzmann gleich auch noch den falschen, weil viel zu zurückhaltenden Umgang mit Not-, Hilfe- und Sofortprogrammen vorwerfen zu können.
Regelrecht verdreht sind die Vorzeichen in der Debatte um Kaufprämien zur Ankurbelung der Autoindustrie. Kretschmann hat seine liebe Mühe mit der Botschaft, dass nur modernste Verbrenner zum Zeuge kommen sollten. Oder mit dem Bekenntnis, dass er "in Normalzeiten" niemals für solche Anreize gewesen sei, sondern "aus ordnungspolitischen Gründen immer dagegen". Jetzt aber müsse die Branche auch aus psychologischen Gründen zu einem Aufschwung kommen und "wie ein Mittelstürmer" andere mitziehen.
Koalitionsstreit um Kaufprämien und Fahrverbote
Dass er mit solchen Aussagen mit Teilen seiner Grünen Ärger bekommt, liegt auf der Hand. Problematisiert wurde der Weg allerdings auch von der CDU-Landesgruppe im Bundestag. Ein Schelm der Böses dabei denkt. Alexander Throm (Heilbronn), der früher im Landtag saß und als Rechtsanwalt Kanzlei-Partner von Innenminister Thomas Strobl ist, sieht sich als einer der Wortführer des Widerstands: Jeder Mittelständler halte derzeit das Geld im Unternehmen. "Da kann ich doch nicht staatlich belohnen, wenn sich ein großer Konzern anders verhält", sagt Throm. Und der Waiblinger Joachim Pfeiffer, Wirtschaftsexperte der Bundestagsfraktion, legt nach: "Eine plumpe Kaufprämie kann es nicht geben." Die sieht das vorlegte Prämienmodell zwar gar nicht vor, aber plumpe Schlagworte machen sich allemal besser als Details: Pfeiffer bringt eine "intelligente Innovationsprämie" ins Spiel, schweigt sich aber über Näheres aus.
1 Kommentar verfügbar
Gerald Fix
am 22.05.2020Aber man sollte auch nicht vergessen, dass Koalitionen Vernunftbündnisse auf Zeit sind und keine Liebesheiraten. Es ist nicht zu beanstanden, wenn Politiker und Parteien gegen Ende der Legislaturperiode ihre eigenen Ideen und Pläne stärker herausstellen als die Koalitionspolitik. Und man kann…