Wenn er gut läuft, der Bundesparteitag an diesem Wochenende in Berlin, dann bringt er mit Ach und Krach eine Schadensbegrenzung zustande. Geplant war das ganz anders. Ende August hatten acht Teams und ein aussichtsloser Einzelkandidat ihr Interesse am "schönsten Amt neben Papst" (Franz Müntefering) angemeldet. Das Verfahren wurde hochgejubelt, die 23 Regionalkonferenzen in der ganzen Republik waren bemerkenswert gut besucht, einige sogar übervoll, an Versprechungen gab es keinen Mangel. "Die SPD hat jetzt die Wahl: Weiter so! oder Neuanfang?", hatte das Tandem Esken/Walter-Borjans in seiner Bewerbung geschrieben, "wir wollen den Neuanfang!" Und weiter: "Wir wollen der SPD das zurückgeben, was viele an ihr vermissen: Standhaftigkeit und Glaubwürdigkeit!"
Seit vergangenen Samstag, 18 Uhr, ist zu beobachten, wie die beiden mühsam versuchen, Anspruch und Wirklichkeit in Deckung zu bringen. Die Latte liegt auf Weltrekordhöhe. "Jetzt ist Lieferando", kommentiert ein Juso nur wenige Minuten nach Bekanntgabe des Ergebnisses im Willy-Brandt-Haus. Die digitale und die reale Welt der Roten quillt über in einer Mischung aus Skepsis, Erwartungen und guten Ratschlägen. Die SPD-Kreisvorsitzende in Freudenstadt, Viviana Weschenmoser, eine Unterstützerin des Gewinner-Teams, beklagt in der FAZ "das lange Verteidigen von Kompromissen" und hofft, dass der Parteitag "Saskias Empfehlung folgt, die Groko zu verlassen: Einmal runterrasieren, und dann Ciao Kakao".
Die Angst geht um in der SPD: Was passiert beim Parteitag?
Esken steht vor allem beim Nachwuchs im Wort. Unter GenossInnen im Landesverband, in dem sie bisher keine große Rolle spielte, wird geraunt, dass die 58-Jährige eigentlich an der Seite von Kevin Kühnert kandidieren wollte. Der Juso-Chef allerdings machte persönliche Gründe für seinen Verzicht geltend, wie er Anfang September mitteilte. Außerdem habe er der SPD "ein großes Duell um die Frage, welcher Platzhirsch setzt sich durch" ersparen wollen. Das war im "Morgenmagazin" von ARD und ZDF, ein paar Stunden vor der ersten von 23 Regionalkonferenzen, die der Juso-Chef mit dem Hinweis auf 80 000 Jungsozialisten befeuerte und mit unzweideutiger Werbung für die späteren Sieger. Speziell für Esken, die in der vorangegangenen Diskussion um Upload-Filter "einen deutlichen Einsatz gezeigt hat für die Freiheit im Netz an der Seite vieler junger Menschen, während sich andere von Lobbyinteressen beeinflussen ließen".
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Dr. Uwe Prutscher
am 05.12.2019