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Mercedes unter den Deutschkursen stottert

Mercedes unter den Deutschkursen stottert
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Vor zweieinhalb Jahren hat das Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart seine Deutschkurse in die Ifa-Akademie ausgelagert. Die ist nun insolvent und die Lehrer fragen sich, wie es weitergeht. Denn: Jahrzehntelang hat die öffentliche Hand auf ihre Kosten gespart.

Seit 18 Jahren gibt Klaus Roehm Deutschkurse am Institut für Auslandsbeziehungen (ifa). Der Sprachunterricht im Alten Waisenhaus am Charlottenplatz galt immer als so etwas wie der Mercedes unter den Deutschkursen in Stuttgart: Sie waren nicht die billigsten, vermittelten aber Sprache und deutsche Kultur – im Sinne eines Zurechtfindens in den Gepflogenheiten des Landes – auf hohem Niveau. Mit Roehm sind Raffaella Marini und Peter Müssig zum Gespräch mit Kontext gekommen, um stellvertretend für alle Lehrkräfte über ihre Situation zu berichten. Es steht nicht zum besten.

Roehm, Marini und Müssig arbeiten wie fast alle Deutschlehrer auf Honorarbasis. Die Honorare waren lange Zeit eher bescheiden, erklärt Roehm, aber die Atmosphäre war gut: Ungefähr sechzig Deutschlehrer, ein gut eingespieltes Team. Seit drei Jahren ist dies anders. Die Sprachkurse wurden in eine gemeinnützige GmbH mit dem hochtrabendem Namen ifa-Akademie ausgelagert. Die Lehrkräfte fragen sich, warum.

Möglich, dass das ifa eine Abmahnung der Rentenversicherung befürchtete, wie sie das Goethe-Institut erhalten hatte, weil es seine Lehrkräfte seit vielen Jahren als Scheinselbständige beschäftigt hat. Anderen Aussagen zufolge war es eine Beschwerde des Bundesrechnungshofs, der monierte, die Sprachkurse würden Gewinne abwerfen, das ifa als eingetragener Verein dürfe aber keine Gewinne machen.

Jetzt sollen hinterhältige Attacken aus dem Netz schuld sein

Der Insolvenzverwalter, die Anwaltskanzlei Pluta, führt unter Berufung auf den Geschäftsführer Michael Kilgus einen Nachfragerückgang nach Deutschkursen ins Feld, aber auch Hackerangriffe, derentwegen wochenlang keine Anmeldungen über die Website vorgenommen werden konnten. Der ifa-Generalsekretär Ronald Grätz kann derzeit keine Auskunft geben, zu einem laufenden Verfahren darf er nichts sagen.

Roehm glaubt nicht an eine hinterhältige Attacke aus dem Netz. Denn schon im Frühjahr 2018, zwei Jahre nach ihrer Gründung, geriet die ifa-Akademie in Schwierigkeiten. Ein Wirtschaftsprüfer fand heraus, die Honorare der Lehrkräfte seien zu hoch. Sie wurden um zehn Prozent gekürzt – vorübergehend, habe Grätz versprochen, erinnert sich Raffaella Marini. Doch gelöst war das Problem damit offenbar nicht.

Zugleich wurden die Kursgebühren um zwanzig Prozent angehoben. Das verträgt sich schlecht mit den Angaben der Kanzlei Pluta: "Angesichts des hohen Wettbewerbsdrucks bieten einige Anbieter Sprachkurse zu sehr niedrigen Preisen an, mit denen die ifa-Akademie bei ihrem Qualitätsanspruch nicht mithalten kann." In einem Unterbietungswettbewerb die Preise zu erhöhen: Diese Rechnung kann wohl kaum aufgehen.

Das Geschäftsmodell der ifa-Akademie gGmbH sei von Anfang an auf tönernen Füßen gestanden, meint Roehm: Vier neue Stellen, nicht für Sprachlehrer, sondern für Leitung und Verwaltung, dazu für die Buchhaltung ein Wirtschaftsprüfer: Wodurch hätte sich dies finanzieren sollen? Neben Deutschkursen bietet die Akademie "Seminare und Trainings für Kultur und Bildung" an. Das klingt etwas diffus. Wer ist angesprochen: gut situierte Deutsch-Schüler? Manager der heimischen Industrie?

Dass 2015 eine hohe Nachfrage nach Deutschkursen bestand, leuchtet ein. Aber die Teilnehmer der ifa-Sprachkurse sind zumeist nicht Geflüchtete, es sei denn, sie erhalten Unterstützung von der Otto Benecke Stiftung, die "akademisch orientierte Zuwandererinnen und Zuwanderer" fördert. Die meisten sind junge Menschen aus aller Herren Länder, die in Deutschland studieren oder hier arbeiten und berufliche Erfahrungen sammeln wollen. Sie bezahlen etwas mehr aufgrund des guten Rufs, den die ifa-Deutschkurse genießen.

Erst gar kein Honorar, dann eine kleine Abfindung

"Die Akademie steht für hohe Qualität", betont auch der Insolvenzverwalter: "Die Onlinebewertung der Lehrkräfte liegt bei 4,7 von 5 Punkten. Die Mitarbeiter sind sehr motiviert." Es könnte sein, dass diese Motivation in letzter Zeit etwas gelitten hat, und zwar nicht nur wegen der Honorarkürzung vor anderthalb Jahren. Nach der Insolvenz erhielten die Lehrkräfte sechs Wochen lang kein Honorar, dann schließlich 20 Prozent der ausstehenden Beträge als Abfindung. Laut ihrer Website hat die ifa-Akademie ein ungefähr 90-köpfiges Team. Dem Insolvenzverwalter zufolge waren es im August noch "zehn Mitarbeiter sowie knapp 40 Honorarlehrkräfte". Die allseits beliebte, langjährige Leiterin ist krank geworden.

Lange Zeit hätte das ifa seinen Deutschlehrern nur 23 Euro pro Unterrichtsstunde bezahlt, sagt Roehm. Als das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 2016 die Honorare für die von ihm finanzierten Kurse auf 35 Euro anhob, zog die ifa-Akademie jedoch mit. 35 Euro pro Stunde: Das mag auf den ersten Blick gut klingen. Doch zum Unterricht gehört auch die Vorbereitung – in der Regel mindestens nochmal eine Stunde, die nicht bezahlt wird. Freiberufler müssen Renten- und Krankenversicherung selbst abführen und von ihrem Honorar auch noch Steuern abziehen. Viel bleibt da nicht übrig. Und doch: "Wer 35 Euro bekommt, ist ein Topverdiener", titelte "Die Zeit" 2017 zur Situation der Honorarkräfte. Andere zahlen deutlich weniger.

Diese Situation ist keineswegs neu. Raffaella Marini erinnert daran, dass es beim Internationalen Bund für Sozialarbeit (IB) 2010 schon einmal einen ähnlichen Konflikt gab. Die Dozenten durften nur noch 15 Unterrichtsstunden pro Woche arbeiten und mussten nachweisen, dass sie ihre Rentenversicherung selbst tragen, weil die Rentenversicherungsanstalt dem IB eine Nachzahlung auferlegte. In Internetforen lässt sich dies immer noch nachlesen. "Es fehlte an Konzeption, Führung und sozialer Kompetenz in der Geschäftsführung", lautet ein Eintrag.

Klage auf Festanstellung war erfolglos

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat 2015 einen Ratgeber für freie Lehrkräfte herausgegeben. "Sie sind FreieR MitarbeiterIn am Goethe-Institut, unterrichten freiberuflich an der Deutschen Angestellten Akademie oder für den Internationalen Bund…", spricht die GEW die Zielgruppe an: "Dann kennen Sie vermutlich diese Arbeitsbedingungen: Sie werden nur für den geleisteten Unterricht bezahlt …" Es folgt eine Aufzählung, was alles nicht bezahlt wird. "Die Kosten für Ihre Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung tragen Sie in voller Höhe selbst", heißt es weiter. "Die Auftragsvergabe ist oft intransparent, die Kriterien unklar. Sie haben keinen Kündigungs- oder Bestandsschutz, selbst wenn Sie schon seit vielen Jahren für diesen Auftraggeber arbeiten." Und so weiter über eine volle Seite: kein Urlaub, keinerlei Sicherheiten.

Warum tun Sprachlehrer sich das an? Weil sie, wenn sie in ihrem Beruf arbeiten wollen, in der Regel nicht anders können. Eine Kollegin am ifa habe vor mehr als drei Jahrzehnten einmal auf Festanstellung geklagt, berichtet ein älterer ifa-Sprachlehrer: Bei den Honorarverträgen handle es sich um Kettenverträge. Sie unterlag in der ersten Instanz und verzichtete auf Berufung, da sie keine Rechtsschutzversicherung hatte. Und weil das ifa drohte, die Deutschkurse einzustellen. Seither habe niemand mehr gewagt, sich gegen die Praxis der Einstellung auf Honorarvertragsbasis zu wehren.

Tatsächlich hat das Goethe-Institut vor zwei Jahren zunächst einfach keine Honorarverträge mehr ausgestellt und die Sprachkurse abgesagt. Von 400 Lehrkräften wurden zunächst nur zwanzig übernommen, und das auch nur  befristet. Noch im Frühjahr 2017 wurden dann allerdings etwa 70 Lehrer befristet eingestellt: überwiegend ehemalige Honorarlehrkräfte mit einem Beschäftigungsumfang von jeweils 75 Prozent, wie Oliver Brüchert von der GEW mitteilt. Die Mehrzahl dieser Verträge sei anschließend entfristet worden.

Insolvenzverwalter will Anfang 2020 eine Lösung präsentieren

Die GEW hat damals mehr als ein Jahr lang hart mit dem Goethe-Institut verhandelt. "Derzeit arbeiten nach unseren Informationen etwa 190 Vertragslehrkräfte an den Goethe-Instituten im Inland", rekapituliert Brüchert, was ungefähr 150 Vollzeitäquivalenten entspräche. Zu den Honorarkräften kann die GEW freilich keine Angaben machen. Laut Goethe-Institut läge ihr Anteil bei 40 Prozent der geleisteten Stunden, vor 2017 waren es 70 Prozent. Für sie seien die Bedingungen schlechter geworden: "Keine Prüfungen; kein Zutritt zum Lehrerzimmer; keine Nutzung von Material und Kopierer etc. des Auftraggebers; nach 7 Monaten Einsatz 3 Monate Pause."

Und wie geht es mit der ifa-Akademie nun weiter? "Insolvenzverwalter Michael Pluta strebt eine Lösung für die ifa Akademie bis Anfang nächsten Jahres an", schreibt Patrick Sutter  im Auftrag auf Kontext-Anfrage. "Pluta und sein Team verhandeln derzeit mit einem Interessenten, der den Geschäftsbetrieb übernehmen will." Im August hatte Pluta noch "eine Lösung mit dem Gesellschafter, dem ifa Verein" in Erwägung gezogen. Doch das ifa hat offenbar nicht erkennen lassen, dass es wieder die Verantwortung übernehmen will. Vielleicht auch aus Angst vor Rückforderungen, die ein neuer Eigner nicht befürchten muss.

Letztlich ist das ifa wie das Goethe-Institut und der IB ein Verein, der im Wesentlichen von der öffentlichen Hand finanziert wird. Eine Lehrerin der ifa-Akademie hat alle angeschrieben: das Auswärtige Amt als wichtigsten Träger, das Wissenschaftsministerium des Landes und den Kulturbürgermeister der Stadt Stuttgart. Als Antwort: allenfalls warme Worte. "Keiner will Geld geben", kommentiert Klaus Roehm. Mit Bezug auf die befristeten Verträge an Schulen, Lehraufträge für ein Taschengeld und unentgeltliche Honorarprofessuren an Hochschulen fügt er hinzu: "Hier wurden zwei Generationen von Dozenten verheizt."


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2 Kommentare verfügbar

  • Angelika Weller
    am 13.12.2019
    Antworten
    Auch ich (Mitarbeiterin) finde es toll, dass endlich mal über die Situation von Honorar-
    mitarbeiterInnen berichtet wird. Darüber ließe sich noch vieles sagen und betrifft keines-
    wegs nur unsere Einrichtung.

    Den Titel finde ich in der aktuellen Lage allerdings nicht so glücklich.
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