Den Pritzker-Preis, so etwas wie der Nobelpreis für Architektur, den hat er nicht mehr entgegennehmen können. Kurz vor seinem 90. Geburtstag ist Frei Otto in seinem Haus in Warmbronn gestorben. Otto, der laut Einschätzung des Architekturmuseums der TU München "wie kein anderer deutscher Architekt der Nachkriegszeit internationale Anerkennung gefunden hat", wird nun posthum mit dem renommierten Preis ausgezeichnet. Alle anderen großen Architekturpreise der Welt – den des Royal Institute of British Architects (RIBA), den japanischen Praemium Imperiale, den Aga Khan Award – hat er längst erhalten. Nur beim Holcim Award gab es vor einigen Jahren Zoff.
Im Fall dieser hoch dotierten Auszeichnung des weltgrößten Betonherstellers aus der Schweiz wählt die Jury, anders als bei anderen Preisen, nicht von sich aus die Preisträger, sondern reagiert auf Bewerbungen und Vorschläge. 2005, als der Preis zum ersten Mal ausgeschrieben wurde, erzielte Christoph Ingenhoven mit dem Konzept des Stuttgarter Tiefbahnhofs den zweiten Platz und 50 000 Dollar Preisgeld. Und zwar allein. Dabei stammen die Lichtaugen, das einzige architektonisch außergewöhnlicher Merkmal des Projekts, von Frei Otto: 128 Modelle, entstanden von 1997 bis 2008 in seinem Atelier in Warmbronn, hat seine Tochter Christa Kanstinger daraufhin publiziert. Doch Ingenhoven hielt es nicht für notwendig, den Namen Frei Otto auch nur zu erwähnen.
Leichte Tragwerke – schwere Verstimmungen
Wie kam der geistige Vater des Münchner Olympiadachs überhaupt dazu, sich auf das Mammutprojekt einzulassen? Der im sächsischen Siegmar geborene Architekt war 1964 nach Stuttgart gekommen, berufen von Fritz Leonhardt, dem Erbauer des Fernsehturms und dann Rektor der Technischen Hochschule, die unter seiner Ägide zur Universität aufstieg. Auf dem Vaihinger Campus leitete Frei Otto das Institut für leichte Flächentragwerke: in einem Bau, der ursprünglich als Prototyp für den deutschen Expo-Pavillon in Montreal 1967 entstanden war. Hier entstanden all seine berühmten Entwürfe: das Olympiadach, die Mannheimer Multihalle, Bauten in Mekka und Riad, die Voliere im Münchner Tierpark Hellabrunn, die Ökohäuser der Berliner Bauausstellung 1987. Unter dem spitzen Zeltdach des Instituts arbeitete er mit Biologen und Paläontologen im größten interdisziplinären Sonderforschungsbereich, den es jemals an einer deutschen Universität gab, an der Erforschung organischer Formen und Konstruktionen.
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dipl-ing
am 30.03.2015