Als die Sachbearbeiterin vom Staatsschutz bei ihm anrief, dachte Luigi Pantisano zunächst, es könnte um die rassistischen Beleidigungen handeln, denen der linke Kommunalpolitiker seit Anfang 2016 regelmäßig ausgesetzt ist. Oder um die Morddrohung, die der Stuttgarter Stadrat erhielt. Immerhin ist die gleiche Kriminaloberkommissarin am Apparat, die federführend für die Ermittlungen war. Erfolge gibt es hier – bis heute – allerdings keine vorzuweisen. Stattdessen eröffnet sie Pantisano, dass sie sich mit dem Thema Rechtsextremismus gar nicht so gut auskenne. Eigentlich sei sie auf Linksextremismus spezialisiert. Und das ist auch der Grund für ihren Anruf: Gegen Pantisano laufe ein Strafverfahren wegen Hausfriedensbruch, und sie sei die zuständige Sachbearbeiterin. "Das kannst Du Dir nicht ausdenken," kommentiert der Stadtrat.
Das Telefonat begab sich im August 2018. Knapp vier Monate zuvor wurden in der Wilhelm-Raabe-Straße 4 in Stuttgart-Heslach zwei leerstehende Wohnungen besetzt. Zwei Familien, die jeweils jahrelang vergeblich nach einer bezahlbaren Bleibe in Stuttgart gesucht hatten, zogen hier ohne Erlaubnis der Eigentümer ein. Und der Stuttgarter Gemeinderat diskutierte kontrovers, wie legitim ziviler Ungehorsam ist, um einer dramatischen Not mehr Gehör zu verschaffen. Viele äußerten zwar grundsätzliches Verständnis, betonten aber, dass Protest legal bleiben müsse. Unterstützt und befürwortet wurde die Aktion hingegen von Stadträten der Fraktionsgemeinschaft SöS-Linke-Plus. Daher saßen Hannes Rockenbauch (SöS), Tom Adler (Die Linke) und Luigi Pantisano (SöS) am 02. Mai 2018 in einer der besetzten Wohnungen und befragten eine junge Mutter, die hier fünf Tage zuvor eingezogen war, in einem Livestream zu ihrer Situation.
Nun handelt es sich beim Hausfriedensbruch, also dem unbefugten Eindringen in fremdes Besitztum, um ein Antragsdelikt, das nur dann verfolgt wird, wenn die Geschädigten es wünschen. Die Anzeige gegen Rockenbauch, Pantisano und Adler stammt jedoch gar nicht von den betroffenen Eigentümern, sondern von zwei alten Bekannten aus dem Gemeinderat: den Ex-AfDlern und Ex-Stadträten Bernd Klingler und Heinrich Fiechtner. Mit den Ermittlungen wurde daraufhin die Kriminalinspektion 6, der Staatsschutz, beim Polizeipräsidium Stuttgart beauftragt, und die hat ganze Arbeit geleistet.
Die Beweislage ist eindeutig: blaue Kommode und rotes Regal
Siebzehn Seiten umfasst die Medienauswertung der Ermittlungsgruppe Rabe (sic), auf denen der akribische Nachweis erfolgt, dass die drei Stadträte tatsächlich in der besetzten Wohnung saßen. Das belegen eine blaue Kommode, ein rotes Regal, ein Spiegel, eine Zimmerpflanze, eine Lampe und ein geflochtener Stuhl in der linken Wohnzimmer-Ecke, die im Live-Video der Stadträte zu sehen waren, und die die Ermittler in einem SWR-Beitrag über die Besetzung wie auch in ihrer polizeilichen Beweisdokumentation wiedererkennen.
8 Kommentare verfügbar
D. Hartmann
am 10.08.2019§ 123 Hausfriedensbruch
(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin…