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Der zähe Kampf gegen Korruption

Der zähe Kampf gegen Korruption
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Der Weg von Nähe zu Filz ist in Kommunen manchmal kurz. Die Stadt Konstanz hat sich vor vier Jahren einen Ethik-Leitfaden gegeben. Was bringt das? Eine Zwischenbilanz.

Für Transparency International ist die Sache klar: "Auf der kommunalen Ebene werden statistisch die meisten Korruptionsfälle festgestellt und verfolgt", schreibt Christian Erdmann, Leiter der Transparency-Arbeitsgruppe "Kommunen" in einer im März erschienenen Ausgabe des vereinseigenen Magazins "Scheinwerfer". Die Gründe dafür seien vielfältig: "hohe Auftragssummen, undurchschaubare Entscheidungsprozesse oder persönliche Verflechtungen von Entscheidungsträgern", so Erdmann. Korruptionsgefahr besteht demnach vor allem in Bereichen, "wo auf Aufträge, Fördermittel oder Genehmigungen, Gebote und Verbote Einfluss genommen werden kann". Verdacht von derlei Einflussnahmen äußert sich dann oft in Fragen wie: Wer bekommt eigentlich welchen Kitaplatz? Wer entscheidet, wie die städtische Wohnungsbaugesellschaft ihre Wohnungen vergibt? Und wieso bekommt ausgerechnet dieser Investor das letzte Filet-Grundstück in bester Lage?

Wer wissen will, wie es die Kommunen mit solch ethischen Fragen heute halten, der muss den Einzelfall betrachten. Denn jenseits der allgemein gültigen Gesetze zu Korruption und Befangenheit gehen viele Städte und Gemeinden noch sehr unterschiedlich damit um. Die Stadt Konstanz am Bodensee zum Beispiel hat sich vor vier Jahren einen "Leitfaden für kommunale Mandatsträger" gegeben. Darin zusammengefasst sind ethische Verhaltensregeln für Stadträte und den Oberbürgermeister, die dabei helfen sollen, jeden Anschein zu vermeiden, "im Rahmen ihrer Amtsführung für persönliche Vorteile empfänglich zu sein", wie es in dem vierseitigen Text heißt. Anlass dafür waren 2015 Verschärfungen im Strafgesetzbuch zu Vorteilsnahme und Bestechung. Die Frage ist: Hat dieser schön klingende Leitfaden irgendwas verändert?

Anselm Venedey muss eine Weile überlegen, wenn man ihn nach dem Ethik-Leitfaden der Stadt fragt. Venedey ist bekannter Gastronom in Konstanz und sitzt für die Freien Wähler im Gemeinderat. "Ja, da war mal was", erinnert er sich dann. Dass das Papier irgendwas geändert habe, glaubt er nicht: "Manchem Kollegen ist der Geldbeutel immer noch näher als die Moral", sagt er. Was ihn besonders ärgere sei, "wie selten sich die Kollegen bei einzelnen Themen für befangen erklären, obwohl sie es nach meiner Definition wären", so Venedey. Wenn es beispielsweise in der Politik um Entscheidungen gehe, die ihn oder Verwandte betreffen, dann halte er sich selbstverständlich zurück. "Ich ernte dann oft eher verständnislose Blicke von den Kollegen", erklärt der Stadtrat. Er selbst verzichte so gut es geht auf Geschäfte mit der Stadt. "Allein schon, um gar nicht erst den Anschein zu erwecken, da könnte etwas nicht ganz sauber gelaufen sein", sagt Anselm Venedey.

Der Gastwirt ist mit seiner strikten Haltung eher eine Ausnahme im Konstanzer Gemeinderat. Andere sehen das gelassener. Johannes Hartwich zum Beispiel. Der FDP-Stadtrat winkt ab, wenn man ihm mit dem Verdacht von Mauschelei kommt: "Das heutige Vergaberecht ist so streng reguliert, da können Sie gar nichts mauscheln. Da haben Sie nur Erfolg, wenn Sie Qualität bieten", sagt Hartwich. Der Mann weiß wovon er spricht. Er hat über Jahrzehnte ein florierendes Architekturbüro aufgebaut, hat für den Bund, das Land, für Privatleute, aber eben auch für die Stadt Konstanz gebaut. Seit 2009 sitzt er im Gemeinderat, ist Mitglied im für Baufragen zuständigen Technischen und Umweltausschuss und war in den vergangenen Jahren schon Aufsichtsrat der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Wobak und bei den Stadtwerken.

Getuschel um Gemauschel

Ob das nicht eine etwas schwierige Konstellation sei? Ein Unternehmen beaufsichtigen und gleichzeitig mit ihm Geschäfte zu machen? "Nein", sagt der 74-Jährige, "ich habe weder für die Wobak noch die Stadtwerke jemals etwas gebaut. In meinem aktiven beruflichen Leben habe ich etwa 0,1 Prozent an Aufträgen für die Stadt Konstanz erbracht. Ich glaube nicht, dass das ein Problem ist." Außerdem sei er seit 2015 kein Geschäftsführer und auch kein Gehaltsempfänger des von ihm gegründeten Architekturbüros mehr. Gesellschafter ist er aber schon noch.

Vor einigen Wochen hatte es nochmal Getuschel gegeben, weil das von Hartwich gegründete Büro den Zuschlag für die Sanierung eines städtischen Gebäudes erhalten hatte. Alles korrekt gelaufen, sagt Hartwich. Weshalb das Büro den Auftrag erhalten habe, wisse er nicht, aber es werde wohl damit zu tun haben, dass seine früheren Kollegen "sehr viel Erfahrung im Umbau, Sanierung und Neubau" haben.

Hartwich kennt die Vorbehalte, die es gegen ihn gibt. Er hat gelernt, damit zu leben: "Man kann das Gerede letztlich nicht verhindern. Die schlimmste Krankheit der Deutschen ist nunmal der Neid", sagt der 74-Jährige. Er habe sich jedenfalls nichts vorzuwerfen und "immer versucht, sehr korrekt zu sein".

Und überhaupt: Es sei ja auch keine Lösung bestimmte Berufsgruppen vom Gemeinderat auszuschließen. "Im Konstanzer Gemeinderat sitzen unter anderem Handwerker, Gewerbetreibende, Freiberufler, Juristen und Ärzte. Diese Mischung ist gut und aus meiner Sicht ein Gewinn für die Stadt. Es wäre doch furchtbar, wenn der Gemeinderat nur aus Lehrern und Beamten bestünde", so Johannes Hartwich.

Tatsächlich hat der FDP-Mann in dem Punkt ja Recht: Gemeinderäte sind auf das Wissen von Experten wie ihm angewiesen. Es hilft dabei, das Machtverhältnis zwischen Verwaltung und Gemeinderat einigermaßen in der Waage zu halten. Und es hilft dem Gremium dabei, komplexe Themen überhaupt erst begreifen zu können. Alles richtig. Aber Kommunalpolitik braucht eben auch eine Wachsamkeit gegenüber einem möglichen Machtmissbrauch. Wie nun damit umgehen?

Minimal-Anforderung nicht immer erfüllt

Anruf bei Annette Kleinfeld. Sie ist Professorin für Wirtschafts- und Unternehmensethik an der Konstanzer Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG). Ihre Minimal-Anforderung an Kommunalpolitik lautet so: "Da wo Entscheidungen gefällt werden, von denen einzelne Stadträte profitieren könnten, müssen sie sich zurückhalten. Auch bei der Aufstellung von Kandidaten für bestimmte Gremien sollte man sich vergewissern, ob es zu Interessenkonflikten kommen könnte. Es ist zum Beispiel schwierig, wenn Stadträte im Aufsichtsrat von kommunalen Unternehmen sitzen und gleichzeitig mit diesen Geschäfte machen." In Konstanz kommt eine solche Funktionsüberschneidung bislang aber immer wieder vor.

Dabei hatte auch Transparency International dies als Schwachpunkt ausgemacht: Sitzen zu viele Politiker in Aufsichtsräten steige die Wahrscheinlichkeit, dass Interessenkonflikte auftreten. Um hier Korruptionsrisiken entgegen zu wirken, empfiehlt die Anti-Korruptions-NGO, externe Mitglieder einzubinden. Es geht dabei auch darum, ein gefährliches Klima des Gebens und Nehmens zu verhindern. Nach dem Motto: Gibst Du mir einen Auftrag, gebe ich Dir bei der nächsten politischen Debatte meine Stimme.

Auch, weil sie um solche heiklen Vermischungen weiß, findet Annette Kleinfeld erstmal positiv, dass sich die Konstanzer Kommunalpolitik überhaupt einen Ethik-Leitfaden gegeben hat. Das helfe dabei, die Sensibilität für das Thema zu schärfen. Aus ihrer Sicht hat das Konstanzer Papier aber noch Lücken: "Zum Beispiel sollte eine konkrete Ansprechperson genannt werden, an die man sich wenden kann, wenn es den Verdacht gibt, dass es an einer Stelle nicht so läuft, wie der Leitfaden es vorgibt. Zusätzlich sollte es nicht nur bei den Buchstaben auf dem Papier bleiben. Um die Sensibilität für das Thema hochzuhalten braucht es Workshops, Seminare und regelmäßige Thematisierung in Sitzungen." All das hat es in Konstanz in den vergangenen Jahren eher nicht gegeben.

Wichtig ist Kleinfeld auch, dass das Thema offensiv nach innen wie nach außen kommuniziert werde: "Es irgendwo auf der städtischen Internetseite zu verstecken, nur um es irgendwo zu haben, ergibt keinen Sinn", so die Ethik-Expertin. Eigentlich sei es für die Politik auch ganz einfach, findet Kleinfeld: "Transparenz und ein Mehr-Augen-Prinzip sind wesentlich in dem Bereich. Nur so kann die Politik aktiv darauf hinwirken, dass gar nicht erst der Eindruck entsteht es würde gemauschelt."

Mehr Transparenz mit Verweis auf Datenschutz abgelehnt

In der Stadtverwaltung ist man sich der Tragweite des Themas Korruption sehr wohl bewusst. Neben dem erlassenen Leitfaden versucht die Stadt mit verschiedenen Maßnahmen der Korruptionsgefahr vorzubeugen: Es gibt seit 2002 einen Anti-Korruptionsbeauftragten im städtischen Rechnungsprüfungsamt, kommunale Unternehmen wie Stadtwerke und Wohnungsbaugesellschaft haben eigene Compliance-Richtlinien eingeführt, für städtische Angestellte gibt es klare Regeln, was geht und was nicht. Die Öffnung eingegangener Angebote im Vergabeverfahren erfolgt im Vier-Augen-Prinzip, die Mitarbeiter, die die Angebote entgegen nehmen sind nicht dieselben wie die, die die Aufträge letztlich vergeben und Nebentätigkeiten der Verwaltungsleitung, die den Wert von 6100 Euro übersteigen, werden jährlich im so genannten Beteiligungsbericht veröffentlicht.

Das Problem dabei: Bislang geht die Stadtverwaltung mit all den Themen sehr zurückhaltend um. Dass es einen Anti-Korruptionsbeauftragten gibt, ist selbst vielen Stadträten unbekannt. Informationen über Beruf, Anstellung, Beteiligungen, Mitgliedschaften in Aufsichtsräten, Vereinen und Verbänden von Stadträten und Bürgermeistern gibt es nur vereinzelt. Auch den Ethik-Leitfaden der Stadt muss man lange auf der städtischen Internetseite suchen, ehe man ihn findet.

Andere Städte sind da transparenter. Das nordrhein-westfälische Herten zum Beispiel veröffentlicht gebündelt auf einer Seite alle relevanten Infos rund um das Thema Korruptionsprävention – inklusive detaillierter Auflistungen von Beteiligungen, Mitgliedschaften in Aufsichtsräten, Vereinen und Verbänden von Stadträten und Bürgermeistern. Eine solche Lösung lehnt man in Konstanz mit dem Verweis auf den Datenschutz bislang ab. Aber andere Informationen zu Korruptionsprävention sollen auf der städtischen Internetseite künftig besser abgebildet werden: "Wichtig ist uns, dass die Themen durch die Suchfunktion dann besser gefunden werden können", erklärt die städtische Pressestelle auf Nachfrage. In den nächsten Wochen solle dies geschehen.

Bei allen Bemühungen um das Thema: Manchmal ist es auch die Politik, die sich selbst ein Bein stellt. Diese Erfahrung hat zumindest der SPD-Stadtrat Jan Welsch in Konstanz gemacht. "Bei fast jeder Debatte über Vergabe von öffentlichen Aufträgen gibt es Räte, die es für besonders clever halten, auf eine öffentliche Ausschreibung zu verzichten – ganz egal, ob das rechtlich möglich ist." Welsch hält das für einen großen Fehler. "In jeder öffentlichen Ausschreibung liegt ein doppelter Schutzmechanismus. Sie schützt die Allgemeinheit davor, dass bei der Vergabe getrickst wird. Sie schützt aber auch den Gemeinderat selbst davor, zu Unrecht der Mauschelei bezichtigt zu werden. In öffentlichen Ausschreibungen ist immer transparent nachvollziehbar, wie es zu Entscheidungen kam", sagt der Jurist. Sein Fazit: Einer Politik, die freiwillig auf so einfache wie effektive Mittel der Korruptionsprävention verzichte, sei ohnehin nicht mehr zu helfen.


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4 Kommentare verfügbar

  • Antje H
    am 07.10.2019
    Antworten
    Leider erfahre ich gerade auch am eigenem Leib, was Korruption im Gemeinderat bedeutet.
    Meine Familie lebt schon seit den 70iger Jahren in einem schönen reinen Wohngebiet.
    Nun hat ein Großunternehmer aus dem Ort das Nachbargrundstück gekauft und baut dies nach und nach zu einem großen…
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