Da strahlten zwei um die Wette, im April 2012, als der neue Bundespräsident Joachim Gauck zum Antrittsbesuch nach Stuttgart kam. Winfried Kretschmann erhielt höchstes Lob für seine "Vision der Bürgergesellschaft" und dafür, eigens eine Staatsrätin in sein grün-rotes Kabinett berufen zu haben. "Für Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft, das muss ich ablesen", sagte Gauck, "so innovativ ist das." Der Ministerpräsident quittierte die Würdigung mit einem dankbaren, Gisela Erler mit einem deutlich hörbaren Lächeln.
Sieben Jahre später, in den Mühen der Ebene einer sich entfremdenden Komplementärkoalition, haben die Vorstellungen vom "hohen Gut der gesellschaftlichen Partizipation" (Gauck) erhebliche Kratzer abbekommen. Die Grünen, allen voran Kretschmann und Erler, überließen dem Innenminister die Deutungshoheit darüber, was dem Volk in Sachen direkte Demokratie zugestanden werden kann. In jeder von den Schwarzen angeführten Regierung hätte der Innenminister einer anderen Partei beim Regierungschef vorreiten müssen, um seine Argumente darzulegen. Der CDU-Landesvorsitzende machte sein Nein zur Gaudi mancher Parteifreunde, ausweislich der sozialen Medien, ausgerechnet am Rosenmontag öffentlich. Zuvor hatte noch eine grüne Krisenrunde stattgefunden, die aber - ganz offensichtlich - nichts mehr ausrichten konnte.
Das Licht ist aus, bevor es gebrannt hat
Jedenfalls wird, wenn es nach Strobl geht, der einst von Grün-Rot interfraktionell durchgesetzten Volksgesetzgebung das Licht ausgeblasen, bevor es richtig brennen kann. Dabei hatte der Ministerpräsident kurz vor seinem Amtsantritt 2011 in seiner bundesweit beachteten Grundsatz-Rede "Mein Weg für Baden-Württemberg" (siehe Video am Artikelende) die Tonlage vorgegeben: Das Vertrauen der Gesellschaft in die demokratischen Institutionen habe rapide abgenommen, überall in Europa seien populistische Tendenzen zu beobachten, als Gegenrezept müsse mehr direkte Demokratie gewagt werden. Nicht etwa weil so bessere Entscheidungen zu Stande kämen, sondern weil sich das Parlament mit Gegenargumenten und Argumenten befassen müsse und Entscheidungen nicht einfach durchwinken könne. Kretschmann: "Es gibt gar kein schlagendes Argument mehr, in einer aufmüpfigen und aufgeweckten Gesellschaft, der Bürgerschaft zu verweigern, dass sie in wichtigen Fragen selber entscheidet."
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Rolf Steiner
am 20.03.2019