Das ist keine Gott-Papst-Beziehung, funktionert also nicht nach dem Prinzip, dass eine erhabene Entität ihre Gedanken und Absichten einem irdischen Repräsentanten per Eingebung offenbart; der Besen ist schlichtweg schüchtern und traut sich noch nicht, selbst in der Öffentlichkeit zu sprechen. Lieber flüstert er seinen Parteifreunden ins Ohr, was sie in seinem Namen verkünden sollen. Die schweigsame Natur des Besens könnte sich im Wahlkampf zwar als Nachteil entpuppen, räumt Markus Vogt ein. Aber wegen negativer Vorerfahrungen "wären viele Tübinger schon zufrieden, wenn ihr Oberbürgermeister zur Abwechslung mal Ruhe gibt".
Rückenwind für diese These liefert eine nicht besonders repräsentative, aber immerhin aktuelle Facebook-Umfrage von Die Partei, wonach der Besen mit Augen aus einer Stichwahl gegen den Amtsinhaber Boris Palmer als eindeutiger Sieger hervorgehen würde. 93 Prozent der 1230 TeilnehmenerInnen sprachen dem charismatischen Kehrwerkzeug das Vertrauen aus. Allerdings ist denkbar, dass die Werte verzerrt sind: Umfrage-Institute wie dimap oder die Forschungsgruppe Wahlen betonen, dass ihre Prognosen um bis zu drei Prozentpunkte vom tatsächlichen Abstimmungsergebnis abweichen können. Bei ihrer eigenen Befragung, sagt Hildner, rechneten sie sogar mit einer Fehlerquote von exakt sieben Prozent: "Wir können uns nicht vorstellen, dass jemand bei einer echten Wahl ernsthaft für Palmer stimmen würde."
Unseriöse Umfragen mit fragwürdigen Interpretationen hätten in Tübingen Tradition, berichtet Vogt, und ihr Versuch sei da "nur unwesentlich weniger wissenschaftlich". Er verweist auf den "zukünftigen Vorgänger" von Besen mit Augen. Palmer hatte zu Jahresbeginn eine Befragung veranlasst, die sich nach dem Sicherheitsgefühl von 1018 repräsentativ ausgewählten Tübingerinnen und Tübingern erkundigte. Kritiker bemängelten jedoch, dass die Ergebnisse unbrauchbar wären, weil die Fragestellung suggestiv und tendenziös gewesen sei, und nur 60 Prozent der ausgewählten Bürgerinnen und Bürger, davon überwiegend ältere, überhaupt geantwortet hatten (hier der Fragebogen und die Ergebnisse). Die Stadtvertwaltung wies diese Kritik zurück ("Die Zufallsstichprobe erfüllt höchste Anforderungen an Repräsentativität"). Und da beinahe ein Viertel der Antwortenden angab, eine Videoüberwachung an Orten wie dem Bahnhofsvorplatz zu befürworten, steht in der Auswertung: "Die erstaunlich hohe Zustimmung zur Videoüberwachung in kritischen Bereichen ist aus Sicht der Verwaltung ein Grund, diese Maßnahme nun auch in Tübingen einzuführen." Palmer selbst hatte sich bereits im Vorfeld der Befragung als Anhänger der Videoüberwachung zu erkennen gegeben, und obwohl sich keine Mehrheit für die Maßnahme finden ließ, "belegen" die Ergebnisse "zweifelsfrei einen Handlungsbedarf", wie es in den Worten der Verwaltung heißt.
3 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 25.04.2019Dem Palmer sein Boris wird - übrigens nach eigenen Aussagen – seinem Vater immer ähnlicher.
Aktuell hat "Palmer" ja wieder einen Klobber in die Facebook-Gemeinde losgelassen:
Tübinger OB kritisiert die Deutsche Bahn - Nach Shitstorm: Palmer macht Facebook-Pause [b][1][/b]
2.32 Min. Video 1 Dez. 2018 Palmer gelobte mehr Mäßigung auf [i]Facebook[/i]: O-Ton Palmer [i]„Ich hab auch, schon verstanden, dass dieses NEUE Medium auch von mir verlangt, noch stärker auf die Folgen dessen zu achten, was ich da tue. Da bin ich noch lernender. Ich kann diese Kritik gut annehmen. Des funktioniert nicht gut.“[/i] Doch der gute Vorsatz hielt nicht lange.
0.19 Min. Video 2 O-Ton Palmer [i]„Ich frage mich, warum …“[/i] – Jetzt ist hier die Frage angebracht:
[b][i]„Warum stellt Boris Palmer die Frage nicht an die Verantwortlichen der Bahn AG, anstatt an sich selbst?!?“[/i][/b]
Gestern führt SWR2 "Journal am Mittag" dieses Gespräch mit der Leiterin des interkulturellen Zentrums Heidelberg Jagoda Marinić – Audio 5.33 Min.
Jagoda Marinić verurteilt Palmers Kritik an Bahn-Werbung https://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/journal/gespraech-jagoda-marinic-verurteilt-palmers-kritik-an-bahn-werbung/-/id=659282/did=23910240/nid=659282/q89cx0/index.html
… Palmer inszeniere Deutsche mit Migrationshintergrund gegen solche ohne Migrationshintergrund: „Er verlagert jetzt, weil die Flüchtlinge nicht mehr das große Thema sind, die ganz Rhetorik auf Menschen wie Nazan Eckes, Nelson Müller und Nico Rosberg, und tut plötzlich so, als würden diese Menschen, die erfolgreich sind, Deutschland nicht repräsentieren.“ …
[b][1][/b] https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/tuebingen/Zu-viel-Migrationshintergrund-fuer-Tuebinger-OB-Shitstorm-nach-Palmers-Kritik-an-Bahn-Werbung,palmer-kritik-bahn-werbung-100.html mit zwei Videos
Volker Leiterer
am 06.11.2018Könnte bei weiteren Ausflügen auf solches Niveau aber durchaus passieren und Lust auf Spenden macht das auch nicht...
Philippe Ressing
am 01.11.2018