Viel Stoff für eine Bestandsaufnahme mit Realismus, Tiefgang und Prinzipien. Doch im Sachstandsbericht von Goldmedia bleibt der Umgang mit dem Begriff Medien noch unschärfer als die Aussagen zur Medienlandschaft. Durch das Papier zieht sich ein beklagenswert schwammiges Wirrwarr, unpräzise wird allzu vieles in einem einzigen Topf verrührt. Fast hundert Mal geht es an unterschiedlichsten Stellen um "Markt" und "Märkte", kein einziges Mal um Demokratie und die Rolle der Medien darin. Was soll man auch erwarten? "Medien, Entertainment, Telekommunikation, Sport und Handel sind unsere Kernmärkte", teilt Goldmedia auf seiner Homepage mit. Durchs Netz verbreiten sich so simple wie oberflächliche Kernbotschaften des Unternehmensgründers Klaus Goldhammer, wie "Live-Streaming wird Mainstream", "WhatsApp wird zum neuen Nachrichtenkanal" oder "Roboterjournalismus und Storytelling prägen die Zukunft der Medienbranche".
Wohin die Reise gehen soll, ganz ohne Leitplanken zu Inhalten und Qualität, offenbart das – übrigens frauenfreie – Autorenteam im Kapitel "Datenjournalismus und Künstliche Intelligenz". Darin wird abgehandelt, wie "Menschen in der Regel nur vor- oder nachgelagerte Aufgaben zufallen, beispielsweise die Erfassung der zu verwertenden Daten oder die Sichtung und Kontrolle der erstellten Inhalte". Gerühmt werden die "Vorteile", die auf Algorithmen basierende "standardisierte Nachrichten und Berichte" mit sich bringen, "für die bei der Erstellung keine Kreativität erforderlich ist", die sich aber "massenhaft und in Echtzeit vollautomatisiert produzieren lassen". Naiv, wer hier nur an Sportergebnisse oder Wetterberichte denkt. Die Strategieberater des Staatsministeriums haben vielmehr "anspruchslose, repetitive Aufgaben" im Visier, "wie sie standardweise im Informationsjournalismus vorkommen". Eine Kontext-Anfrage zur näheren Erläuterung dieser beiden Formulierungen lief ins Leere.
Da ist das Netz deutlich auskunftsfreudiger. Im Auftrag des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) hat Goldmedia schon vor zwei Jahren die Studie "Trends im Data-driven Content" vorgelegt. Darin fällt im Zusammenhang mit der Frage, wie Redaktionen vermeiden können, dass sie relevante Nachrichten übersehen, jede Hemmung: "Data-driven" könnte die "aktuelle Polizeiliste aller Verhaftungen nach Kautionshöhe oder bestimmten Schlagwörtern (Musiker, Produzent, Künstler, Namen, etc.)" ausgewertet werden. Und der Sachstandsbericht wiederum macht klar, warum: "Gerade das in der Zeitungslandschaft von Baden-Württemberg übliche Mantelmodell der redaktionellen Organisation könnte von diesem Trend profitieren. Maschinell erstellte, informationsjournalistische Inhalte würden erst zentral organisiert (...) und nach der automatisierten Erstellung auf die jeweiligen regionalen Redaktionsbüros verteilt (...) Dieser Prozess könnte wiederum Personalressourcen freisetzen, um inhaltlich anspruchsvollere, lokale Inhalte zu produzieren."
Beim Ministerpräsidenten muss der Content noch rascheln
Selbst der Konsum solcher Inhalte wird entmenschlicht, dank Alexa und Siri und der vielen anderen Personal Voice Assistants (PVA), die noch auf den Markt kommen sollen. Denn es sei, so der Bericht, "denkbar (und wünschenswert), dass lokale Redaktionen komplementär zu ihrer Printausgabe auch eine PVA-Skill herausbringen, die mithilfe von automatisierter Texterkennung, etwa auf Wunsch die Printnachrichten aus der Region vorliest, lokale Empfehlungen zu Restaurants und Events vorschlägt, den Nutzer mit geolokalen Wetter- und Verkehrsinformationen versorgt oder selbst Leserbriefe oder persönliche Annoncen aus der lokalen Printausgabe vorliest". Mehrere Versuche laufen bereits, zum Beispiel mit der "Stuttgarter Zeitung" und der "Schwäbischen Post". Nicht mehr die journalistische Themenauswahl durch eine Redaktion und ihre Fachleute steht im Vordergrund, sondern Alexa reagiert individuell auf die Frage "Was sind meine Nachrichten?"
Ein Sachstandsbericht wie dieser hätte seine Berechtigung als einer von mehreren. Verspricht doch der zuständige Referatsleiter im Staatsministerium und frühere Stuttgarter Grünen-Kreisvorsitzende Philipp Franke, dass für die anstehenden Thementische "etwa 80 Einrichtungen, Verbände, Unternehmen oder Personen" eingeladen sind, um "die einzelnen Themen aus verschiedenen Blickrichtungen zu erörtern". Auf der Beteiligungsplattform darf sich bis 25. Mai, 17 Uhr, das Fußvolk zu Wort melden, womöglich sogar Mitmenschen, die ob der Vorgehensweise und der Schwerpunkte Bauchgrimmen befällt. "Bitte erklären Sie, was mit dem Begriff 'Vielfalt' genau gemeint ist und wieso die Landesregierung diese stärken möchte", schreibt ein Kommentator "'Regional-TV, Hörfunk, Presse, Social-Media und Future Lounge' – nach unserer Auffassung fehlt bei dieser Aufzählung die Kategorie Online-Medien", monierte beispielsweise bereits die Redaktion der Baden-Badener "goodnews4". Die seien durch keinen Gattungsbegriff abgedeckt.
1 Kommentar verfügbar
Andromeda Müller
am 21.05.2018Keine Elite will kritische Medien sondern Sprachrohre ihrer Agenda.