Auch Andreas Harnack, Stuttgarter Regionalleiter der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), verlangte kürzlich bei einer Anhörung im zuständigen Landtagsausschuss, das Instrument des Erbpachtrechts wieder zu aktiveren. Das zielt darauf, Baugrund über Jahrzehnte verfügbar zu machen, "damit selbstgenutztes Bauen für Familien mit mittleren Einkommen wieder erschwinglicher wird". Harnack geht davon aus, dass das Land, um den Realitäten gerecht zu werden, 400 bis 500 Millionen Euro pro Jahr allein in den sozialen Mietwohnungsbau stecken müsste. Denn, wie Udo Casper vom Mieterbund vorrechnete, die Zahl der Angebote in eben jenem so dringend nötigen Segment nimmt immer weiter ab statt zu in Baden-Württemberg. Der einfache Grund: Den zuletzt 3400 errichteten Sozialmietwohnungen pro Jahr stehen 4000 gegenüber, die aus der Mietpreisbindung fallen.
Auch die Vertreter der Städte und Gemeinden sind – abseits der warmen Worte für das Engagement der neuen Ministerin – nicht zufrieden mit dem Vorgehen. Die Neuaufstellung der Wohnraumförderung sei "ein zwar sehr wohl notwendiger, aber eben nur erster Schritt, um das allgemein anerkannte Ziel der Wohnraum-Allianz zu erreichen, nämlich in Baden-Württemberg flächendeckend mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von Landkreis-, Gemeinde- und Städtetag. Zur Realisierung dieses Ziels müssten weitere, zum Teil große Schritte folgen. Die Schaffung von Wohnraum in ausreichendem und bezahlbarem Maße sei "eine Frage gesellschaftlicher Daseinsvorsorge, deren Sicherstellung von staatlicher Seite zu gewährleisten ist".
Das Recht auf Wohnen ergibt sich aus dem Grundgesetz
Auf dem Papier ist das Allgemeingut, seit in den Siebzigern und Achtzigern im großen Stil Häuser besetzt wurden in der Republik. Johann Wilhelm Gerlach, später Präsident der Freien Universität in Berlin, hat schon damals Wohnen zum "sozialen Grundrecht" erklärt. Mit dessen Einlösung durch den Staat liege es im Argen, weil der nicht über die nötigen Voraussetzungen in eigener Hand verfüge. Gerlach leitete diesen Anspruch implizit aus den Grundgesetzartikeln 1 (Menschenwürde), 2 (freie Entfaltung der Persönlichkeit) und dem Sozialstaatsartikel 20 ab: "Eine angemessene Wohnung gehört zweifelsfrei zu den elementaren sozialen Voraussetzungen eines menschenwürdigen Lebens und einer freien Entfaltung der Persönlichkeit." Schon vor gut 40 Jahren weist der Professor außerdem auf die "mit Artikel 15 zweifellos vorhandene Möglichkeit einer Sozialisierung von Grund und Boden" hin. Damit, so Gerlachs politisch tollkühner Wunschtraum, wären "die großen Wohnungsprobleme gerade in den städtischen Ballungsgebieten um einiges leichter zu lösen".
Eine Analyse, die an Aktualität nichts verloren hat, im Gegenteil. Der Eigentümerverband Haus und Grund setzt ebenso wie die vielen Immobilienunternehmen, die vom Förderkuchen profitieren wollen, auf eine Öffnung der Förderung. So lobt Jürgen Schrader, Vorstand von Haus und Grund in Baden, dass die Einkommensgrenzen für den Anspruch auf staatliche Zuschüsse angehoben wurden. Gerade für Mieter sieht er darin Vorteile. Seine Begründung zeigt, wie Wohnraum allein vom privaten Eigentümer und Vermieter her gedacht wird. Denn die bekämen jetzt mehr Sicherheit, dass die Einnahmeerwartungen erfüllt werden. Motto: "Je mehr Sicherheit, desto mehr sind Private bereit, in den Mietwohnungsbau zu investieren."
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Gela
am 24.02.2017Die CDU hat…